Das internationale Denkmalamt Icomos hat für das Otto-Wagner-Areal den „Heritage Alert“ ausgelöst. Gebaut soll dennoch werden.
Wien. Von der „außerordentlichen Charakteristik des Areals“, dem vorhandenen „Potenzial der erforderlichen Ansprüche [. . .] für die Aufnahme in die Unesco-Welterbeliste“ sowie von „tiefer Besorgnis über die Situation“ ist in dem Schreiben die Rede. Gemeint ist damit das Areal des Otto-Wagner-Spitals bei den Steinhof-Gründen im 14. Wiener Bezirk.
Adressiert ist der Brief an den Wiener Bürgermeister, Michael Häupl. Beim Absender handelt es sich allerdings nicht um die Bürgerinitiative „Steinhof erhalten“, die seit Jahren gegen die – mittlerweile auf vier Gebäude und insgesamt 140 Wohnungen reduzierte – Bebauung ebendieses Areals kämpft. Unterzeichnet ist das Schreiben vielmehr von Kirsti Kovanen, der Generalsekretärin von Icomos International, sowie von Wilfried Lipp, dem Präsidenten von Icomos Austria.
Icomos rät zu neuem Konzept
Das internationale Denkmalamt Icomos (International Council on Monuments and Sites), das auch das Unesco-Welterbe-Komitee berät, hat für das Areal den „Heritage Alert“ ausgelöst. „Das bedeutet, dass das Otto-Wagner-Spital international als von außergewöhnlichem universellen Wert und als offiziell gefährdet gesehen wird“, sagte Gerhard Hadinger, Sprecher der Bürgerinitiative, gestern, Montag, bei einer Pressekonferenz.
In dem Schreiben appelliert Icomos an die Wiener Stadtverwaltung, „das Entwicklungs- und Erhaltungskonzept des gesamten Areals neu zu überdenken“ und ein zukünftiges Nutzungsprogramm zu entwickeln, das „die außergewöhnliche Wichtigkeit und die Geschichte“ des Ensembles berücksichtigt. Außerdem fordert Icomos „den Denkmalschutz auf, den Wirtschaftsbereich im Ostteil des Areals zu erweitern“.
Wobei letztere Forderung nicht ganz korrekt sein kann. „Der Denkmalschutz gilt bereits für das gesamte Areal, also auch den Ostteil. Die Gefahr ist viel eher, dass der Denkmalschutz nicht so streng gehandhabt oder aufgehoben wird“, so Hadinger.
Abschließend bietet Icomos der Stadt Wien und dem österreichischen Parlament seinen Rat an. Mehr als eine freundliche Empfehlung ist das Schreiben allerdings nicht. Die Bürgerinitiative erhofft heuer noch die nächste Stufe, „Heritage at Risk“, für das Otto-Wagner-Spital ausrufen zu können. „Wir wollen das so rasch wie möglich umsetzen, um Druck aufzubauen“, sagt der Landschaftsökologe Christian Schuhböck, der die Bürgerinitiative unterstützt.
Wobei selbst bei dieser Stufe die Aufnahme in das Unesco-Welterbe relativ unwahrscheinlich ist, müsste diese doch die Stadt Wien selbst beantragen. Die Bürgerinitiative will nun vorerst die Reaktion des Bürgermeisters abwarten und nach etwa vier Wochen erneut mit Icomos International Kontakt aufnehmen.
Die Bürgerinitiative, die unter anderem von der FPÖ Wien unterstützt wird, wünscht sich für das Areal eine soziale Nutzung. Allerdings hat die Initiative konkrete Vorstellungen, wie die aussehen soll. „Einige Pavillons wurden zur Unterbringung von Asylanten genutzt. Wir wünschen uns aber eine andere soziale Nutzung, für Alte und Kranke“, so Hadinger.
Gesiba will im Sommer bauen
Die Gesiba, die auf dem Areal Wohnungen bauen möchte, zeigt sich unbeeindruckt. „Wir haben kürzlich die Bauverhandlung gehabt und warten auf den Baubewilligungsbescheid. Unser Ziel ist es, im Sommer zu beginnen“, sagt Gesiba-Generaldirektor Ewald Kirschner zur „Presse“. Parallel dazu arbeite man an der Ausschreibung für das Projekt. Kirschner rechnet damit, dass die ersten der insgesamt 140 Wohnungen im Sommer 2018 fertig sein werden. Zu dem Schreiben der Icomos meint Kirschner nur: „Kein Kommentar.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2016)