Deutschlands Außenminister fuhr angesichts des neu entflammten Streits zwischen Polens rechtsnationaler Regierung und deutschen Politikern nach Warschau. Dabei kritisierte er auch Österreichs Asylobergrenze.
Warschau. Der deutsche Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, vermied es am Donnerstag in Warschau, zu heiklen Streitfragen zwischen der neuen rechtsnationalen Regierung Polens und der EU Stellung zu beziehen. Die vor Kurzem begonnene Rechtsstaatsprüfung durch die EU-Kommission wolle er „nicht kommentieren“, sagte er. Polens Außenminister, Witold Waszczykowski, rühmte derweil seinen aus Berlin herbeigeeilten Gast als „großen Freund Polens“.
Steinmeier war sehr kurzfristig gekommen. Der Grund: Die dortige Regierung und regierungsfreundliche Medien hatten, wie schon Mitte der 2000er-Jahre, offen mit antideutschen Reflexen zu spielen begonnen. Anlass dafür waren kritische Äußerungen von deutschen EU-Beamten und EU-Politikern zu dem befremdlichen Zustand der Demokratie, Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit in Polen.
In Warschau gaben sich beide Minister betont versöhnlich und verwiesen auf den 25. Jahrestag des deutsch-polnischen Freundschaftsvertrags. Vor den Medien wurden nach einem Arbeitsfrühstück Freundlichkeiten und Witze ausgetauscht. Steinmeier sprach von einem „unfassbaren Glück“, dass trotz des deutschen Angriffs auf Polen 1939 beide Nationen Freunde geworden seien. „Dieses Glück ist viel zu wertvoll, als dass wir es jemals zur Spielmasse der Tagespolitik werden lassen“, bekräftigte er. „Es ist immer besser, miteinander zu reden als übereinander.“ Und: „Nicht jeder mag Brokkoli, aber dies ist kein Grund, Freundschaften aufzukündigen.“
Polen will Ukrainer einrechnen
Sein polnischer Gastgeber hielt jedoch vor den Medien nicht mit teils wenig diplomatischer Kritik an den Deutschen zurück. Hinter der Maske der Freundlichkeiten zeigten sich so Risse, vor allem in der Europapolitik. In der Flüchtlingsfrage forderte auch Waszczykowski – wie es Regierungschefin Beata Szydło am Problem vorbei argumentierend jüngst in Straßburg getan hatte – die Anrechnung ukrainischer Gastarbeiter als Flüchtlinge. „Die Tatsache, dass Polen eine Million Ukrainer aufgenommen hat, sollte eingerechnet werden. Klar ist, dass wir uns über den Verteilmechanismus nicht einig sind“, sagte er und kündigte an, Warschau werde klar zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen unterscheiden.
Gleichzeitig versicherte er, man werde sich an Zusagen der liberalen Vorgängerregierung halten. Unklar ist indes, wie sich Warschau das vorstellt. Für 2016 ist laut Szydło die Aufnahme von höchstens 400 Flüchtlingen möglich. Wie bei diesem Tempo bis Ende 2017 weitere rund 6700 Flüchtlinge untergebracht werden sollen, ist ungeklärt.
Angesprochen auf die jüngst beschlossenen Obergrenzen zur Flüchtlingsaufnahme in Österreich kritisierte Steinmeier die Wiener Entscheidung und lehnte Ähnliches für Deutschland ab. „Wie die Zielvorstellungen tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden sollen, ist mir noch nicht hinreichend klar geworden.“ Mit Blick auch auf Polen unterstrich Steinmeier die deutsche Forderung einer EU-Gesamtlösung: „Wir sind der Meinung, dass nationale Maßnahmen allein nicht ausreichen.“
Steinmeier verteidigte auch das in Polen umstrittene Pipelineprojekt Nord Stream 2 durch die Ostsee. „Es handelt sich hier nicht um ein deutsches Regierungsprojekt, sondern um eine Initiative verschiedener Firmen aus mehreren Ländern“, sagte er zu dem Projekt, bei dem Russlands Gazprom die Aktienmehrheit hat.
Ein Bekenntnis zu von Warschau gewünschten festen Nato-Basen in Osteuropa konnten die Polen von Steinmeier nicht hören. Schwammig äußerte sich dazu auch Waszczykowski: Er ließ den möglichen Kompromiss einer permanenten Truppenrotation über bestehende Stützpunkte offen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2016)