US-Präsidentenwahl: Die Grenzen der Bernie-Manie

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Der linke Senator Bernie Sanders rückt Hillary Clinton in Umfragen näher. Doch seine Chancen sind gering, wie eine Recherche der „Presse“ in New Hampshire zeigt.

Nashua. Bis zur Vorwahl in New Hampshire sind es noch drei Wochen, doch für Julia Fetty ist bereits klar, wen sie unterstützt. Die junge Frau trägt ein Bernie-Sanders-Leibchen unter der Winterjacke, und auf die Frage der „Presse“, was sie an dem 74-jährigen Senator aus Vermont beeindrucke, sagt sie: „Dass er sich ehrlich um die Sorgen der Menschen kümmern will.“ Ihr Begleiter, Alaric Ross, auf dessen Parka ein Bernie-Sanders-Pickerl klebt, sieht das ähnlich: „Ich glaube, dass er den Leuten wirklich helfen will. Und ich mag Hillary Clinton nicht. Sie hält zu dem einen Prozent der Superreichen.“

Das wären also zwei sichere Stimmen für Sanders – wenn Fetty und Ross wählen dürften. Doch sie sind erst 17 und somit am 9. Februar, dem Tag der Vorwahl in New Hampshire, um ein Jahr zu jung. Abgesehen davon leben die beiden jungen Leute im benachbarten Teilstaat Massachusetts, aus dem sie für Sanders' Ansprache bei einer Armutskonferenz in der 90.000-Einwohner-Stadt Nashua in New Hampshire angereist sind.

Sanders, Held von „Portlandia“

Man muss sich davor hüten, aus Einzelfällen Tendenzen abzuleiten, doch diese Begegnung veranschaulicht das Problem der Kandidatur von Sanders. Seinen stärksten Zuspruch findet der selbst erklärte Sozialist, der für eine allgemeine Krankenversicherung nach europäischem Vorbild, kostenlose Hochschulbildung und höhere Steuern auf hohe Gehälter und Kapitaleinkünfte wirbt, in überwiegend weißen Collegestädten. „In einer Umfrage nach der anderen sind weiße Liberale Sanders' stärkste Gruppe innerhalb der demokratischen Partei“, hielt David Wasserman vom Cook Political Report, einer renommierten Gruppe von Politikforschern, dieser Tage fest. Sanders ist gewissermaßen der Bürgermeister von „Portlandia“, jener Fernsehsatire, in der weiße Wohlstandsbürger in Fragen der korrekten Mülltrennung und der persönlichen Lebensgeschichte des Brathuhns auf ihrem Teller mit ihrem politisch korrekten Gewissen ringen.

Dieses Wählerprofil gibt Sanders bei den ersten beiden Vorwahlen in Iowa am 1. Februar und in New Hampshire eine Woche später Auftrieb. Denn wer in diesen beiden mehrheitlich konservativen Staaten demokratisch wählt, ist im Vergleich zum Rest der USA überdurchschnittlich linksliberal. Das lässt sich bei seinem Auftritt bei der Armutskonferenz in Nashua klar erkennen. Die Sanders-Anhänger, gut 300 an der Zahl, brechen regelmäßig in Jubel aus, wenn Sanders von seinem Rednerpult aus eine „politische Revolution“ verkündet, wenn er erklärt, dass Millionen von Amerikanern in der 2008 ausgebrochenen Finanzkrise einzig „wegen der Gier einer Handvoll von Leuten an der Wall Street“ gelitten hätten, und wenn er eine Erhöhung der staatlichen Pensionen sowie ein „massives Arbeitsprogramm“ verspricht, bei dem er eine Billion Dollar in die Infrastruktur investieren und damit „13 Millionen anständig bezahlte Arbeitsplätze“ schaffen will.

Damit verleiht Sanders dem Unmut vieler Amerikaner eine Stimme, und das münzt sich in erstaunliche Meinungsumfragen um. In einer Anfang der Woche veröffentlichten Umfrage von CNN und der Radiostation WMUR zum Beispiel liegt Sanders mit 60Prozent klar vor Clinton mit 33Prozent (allerdings wurden nur 420 Personen befragt). In Iowa wiederum liegen Clinton und Sanders in mehreren Umfragen Kopf an Kopf, und 43Prozent der wahrscheinlichen Teilnehmer an den Vorwahlen dort geben an, „eher sozialistisch als kapitalistisch“ zu sein.

Doch nur in Sanders' Heimatstaat, Vermont, ist der Anteil der weißen Linksliberalen unter den Demokraten höher als in Iowa und New Hampshire. Seine Anhänger sind US-weit demografisch und ideologisch eine Minderheit.

Clintons Startvorsprung

Zudem hat Clinton einen Vorteil: 15Prozent der 4764 Delegiertenplätze beim Parteitag Ende Juli in Philadelphia sind für wichtige Parteifunktionäre reserviert. Von diesen 713Personen hat Clinton bereits 380 Unterstützungserklärungen erhalten – und Sanders nur elf. Laut Berechnung des Cook Political Report müsste Sanders in Iowa 70Prozent und in New Hampshire 63Prozent der Stimmen erringen, um das aufzuholen.

Solche Erdrutschsiege sind unwahrscheinlich. Das sehen auch Sanders-Fans wie Michelle Russell ein: „Bernie wird Hillary zu einer besseren Kandidatin machen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2016)

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