Politik und Geschichte: Donald Trumps geistige Vorväter

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Von Andrew Jackson über William Jennings Bryan bis George Wallace: Die Ahnengalerie der USA ist gespickt mit Demagogen, die auf Finanzpanik und Elitenhass mit Ressentiment und Chauvinismus antworteten.

Im Frühjahr 1820 war das Establishment der USA in tiefer Unruhe. Kriegsminister John C. Calhoun warnte Außenminister John Quincy Adams vor einer „generellen Abneigung gegenüber der Regierung, die allerorten nach einem Führer sucht“. Im Jahr zuvor hatte die fieberhafte Grundstücksspekulation zu einer Finanzpanik geführt. Das unregulierte örtliche Bankenwesen brach zusammen, die großen Finanzinstitute der Ostküste eigneten sich im Laufe unzähliger Konkurse massenhaft Ländereien an.

Die Panik von 1819 verhinderte zwar nicht die Wiederwahl von Präsident James Monroe im Jahr darauf. Doch sie legte das Fundament für den Aufstieg des ersten amerikanischen Politikers im Zeitalter der Massendemokratie. Andrew Jackson, Held der Schlacht von New Orleans, in der er 1815 verhindert hatte, dass diese wichtige Hafenstadt an die Briten fällt. Er begriff den politischen Nutzen des weitverbreiteten Zorns über die Monopole und Privilegien des alten Systems. „Ich kann nichts anderes glauben, als dass mehr durch den dauernden Verbleib von Männern in Ämtern verloren geht, als durch ihre Erfahrung gewonnen wird“, donnerte er 1829 in seiner ersten Rede als Präsident vor dem Kongress.

Große Worte für den kleinen Mann

Donald Trump, der Favorit für die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner im heurigen Jahr, drückt sich weniger geschliffen aus. Sein Stehsatz „Wir werden von dummen Leuten regiert“ trifft jedoch dasselbe populistische Ressentiment wie Jackson. Das ist nicht die einzige Parallele, gab Steve Inskeep, Journalist beim National Public Radio und Autor einer neuen Jackson-Biografie, unlängst in der „New York Times“ zu bedenken.

Trumps Fans seien vor allem entlang der Appalachen zu finden: von Mississippi bis hinauf in den Westen von Pennsylvania. Hier leben einerseits die Nachfahren jener irischen und schottischen Einwanderer, die im 18. Jahrhundert kamen und den protestantisch-individualistischen Charakter der Nation prägten. Andererseits seien diese Menschen „eine ältere Version von Amerika, ländlicher, weißer und konservativer als anderswo“. Trump sehe die Welt wie Jackson: Er verspreche, Nöte zu lindern, „egal, wer dadurch auch geschädigt wird“. Eine Mauer gegen Mexikaner, Einreiseverbote gegen Muslime, Strafzölle gegen China: Trump ist ein Chauvinist, ebenso, wie Jackson es war, der blutige Kriege gegen Indianervölker führte und sie später im Interesse landhungriger weißer Siedler nach Westen vertreiben ließ. „Trump schwört, Korruption anzugreifen und den kleinen Mann zu verteidigen. All das konnte man auch von Jackson sagen“, resümierte Inskeep. Es ist insofern nicht erstaunlich, dass Jim Webb, einst demokratischer Senator von Virginia und Jackson-Anhänger, nach dem Scheitern seiner Präsidentschaftskandidatur erklärte, er würde eher Trump als Hillary Clinton wählen.

Zwei Generationen nach Jackson findet man in Amerikas Ahnengalerie den nächsten Vorgänger des Populismus Trump'schen Zuschnitts. William Jennings Bryan, Volksredner und Abgeordneter aus Nebraska, erlangte 1896 die Nominierung der Demokratischen Partei. Auch damals wankte die Nation nach einem Finanzkrach, der Börsenkollaps von 1894 hatte zu einer Verknappung der Goldreserven geführt. Kredit für die armen Kleinbauern im Westen war folglich knapp.

Ressentiments ziehen immer

Wie Trump hatte Bryan „ein Ohr für die Sprache des einfachen Volkes und die Fähigkeit, komplexe Probleme auf blendend simple Weise darzustellen“, hielt der Politologe Daniel Klinghard Anfang März im „U. S. News & World Report“ fest. Während Trump behauptet, China, Japan, Mexiko und der Rest der Welt würden die USA beim Außenhandel über den Tisch ziehen, war Bryan von der Idee des Silberdollars und der Beendigung des damals herrschenden Goldstandards besessen. In seiner Kampagne griff er auf die Pamphlete des Immobilienspekulanten und einstigen Silberminenbetreibers William H. Harvey zurück, allen voran den Schlüsselroman „A Tale of Two Nations“, der übelste antisemitische Klischees propagierte. „Ihr werdet der Stirn der Arbeit diese Dornenkrone nicht aufsetzen, Ihr werdet die Menschheit nicht an ein Kreuz aus Gold nageln“, donnerte er in seiner Parteitagsrede.

Wie Trump heute bei den Republikanern spielte es Bryan bei den Demokraten in die Hände, dass die Partei völlig zersplittert war. Bryans Schicksal sollte Trump aber eine Warnung sein: Er verlor bei der Wahl 1896 haushoch gegen William McKinley.

Wieder zwei Generationen später trat George Wallace in die Fußstapfen Bryans und Jacksons. Der vierfache Gouverneur von Alabama kandidierte von 1964 bis 1976 viermal bei Präsidentschaftswahlen, dreimal davon als Demokrat. In dieser Zeit vollzog sich der ideologische Platztausch der beiden Parteien; Wallace, rabiater Verfechter der Rassentrennung, verkörperte diese Abwanderung der südstaatlichen Demokraten.

Sein Erfolg fußte auf dem Ressentiment: Wallace hetzte gegen langhaarige Hippies und „Eierschädel“ von der Universität, die nicht einmal ein Fahrrad parken könnten. Er sprach Weiße an, die angesichts der Emanzipation der Schwarzen um ihren sozialen Status bangten. Er zog die Massen an wie heute Trump und gewann in Florida mit mehr als 40 Prozent. „Trump haut auf etliche Dinge hin, auf die wir hingehauen haben“, sagte Wallaces Wahlkampfmanager, Charlie Snider, zu Bloomberg News. Er wird Trump wählen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2016)

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