Syrien: Fehlstart bei Genfer Friedensgipfel

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160128 GENEVA Jan 28 2016 Bruce Aylward L Assistant Director General of World Health O(c) imago/Xinhua (imago stock&people)
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Am Freitag begann in Genf eine neue Runde von Verhandlungen über eine Lösung des Syrien-Konflikts. Die wichtigste Anti-Regime-Allianz boykottierte aber zunächst das Treffen.

Genf. Die Genfer Syrien-Verhandlungen sind wegen des Boykotts durch die größte, von Saudiarabien und der Türkei unterstützten Oppositionsgruppe auch nach einer fünftägigen Verschiebung nicht in Gang gekommen. Bis gestern, Freitag, Nachmittag erschien von denjenigen, die UNO-Vermittler Staffan de Mistura am Dienstag schriftlich zu den Gesprächen eingeladen hatte, lediglich die Delegation der syrischen Regierung in der Rhônestadt. Mit Delegationsleiter Bashar Jaafari, Syriens UNO-Botschafter in New York, traf de Mistura am späten Nachmittag zu einem ersten Gespräch zusammen.

Zudem sind Gespräche mit nach Genf angereisten Vertretern verschiedener Gruppen der syrischen Zivilgesellschaft geplant. In einem Genfer Hotel halten sich zudem der Covorsitzende der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), Salih Muslim, und weitere Vertreter der syrischen Kurden bereit. Ihre Teilnahme an den Verhandlungen wird von Russland entschieden gefordert und auch von den USA und der EU befürwortet. Denn die Volksverteidigungseinheiten (YPG), der militärische Arm der PYD, kontrollieren den Großteil der syrischen Grenzregionen zur Türkei und haben sich als militärisch schlagkräftigste Bündnispartner im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) erwiesen.

Da die Türkei, unterstützt von Saudiarabien, jedoch jegliche Teilnahme der kurdischen Vertreter an den Gesprächen strikt ablehnt, hatte UN-Vermittler de Mistura dem PYD-Vorsitzenden Salih Muslim zunächst nur telefonisch geraten, nach Genf zu kommen und ihm eine formelle schriftliche Einladung für einen späteren Zeitpunkt in Aussicht gestellt.

Ende der Bombardements

Das sogenannte Hohe Verhandlungskommitee (HNC) der von Saudiarabien und der Türkei unterstützten Oppositionsgruppen hatte in der Nacht zum Freitag nach mehrtägigen Beratungen in der saudischen Hauptstadt Riad entschieden, vorerst keine Vertreter nach Genf zu entsenden. Zunächst müssten drei „Vorbedingungen erfüllt werden“, erklärte HNC-Sprecher Basma Kodmani: ein Ende der Bombardements durch die syrischen und russischen Luftstreitkräfte, die Aufhebung der Belagerung syrischer Städte sowie die ungehinderte humanitäre Versorgung der notleidenden Bevölkerung.

Allerdings belagern in Syrien nicht nur die Regierungsstreitkräfte, sondern auch zum HNC gehörende Rebellenverbände sowie die Milizen des Islamischen Staates Städte und Dörfer und verhindern die humanitäre Versorgung der notleidenden Bevölkerung.

Schließlich besteht der HNC weiterhin darauf, dass neben ihm keine anderen Oppositionsvertreter am Genfer Verhandlungstisch zugelassen werden. In einem Schreiben an UNO-Vermittler de Mistura hatte der HNC seine vier Vorbedingungen für eine Verhandlungsteilnahme bekräftigt. Das Antwortschreiben de Misturas vom Donnerstagabend sei „nicht zufriedenstellend“, erklärte ein Sprecher des HNC. Der Führer und designierte Verhandlungsleiter des HNC, Riad Hijab, schloss allerdings nicht aus, dass das Oppositionsbündnis in den nächsten Tagen doch Vertreter von Riad nach Genf schickt, um seine Forderungen und Vorbedingungen dort vorzutragen. „Solange diese Forderungen aber nicht erfüllt sind, werden wir den Verhandlungsraum nicht betreten“, unterstrich Hijab.

„Betrug an der Opposition“

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan unterstützte die Forderungen des von ihm als „moderat“ bezeichneten HNC. Es sei „ein Betrug“ von diesem Oppositionsbündnis, die Teilnahme an den Genfer Verhandlungen zu verlangen „ohne einen vorherigen Waffenstillstand in Syrien“.

Zu den im HNC zusammengeschlossenen Gruppen gehören neben dem im Exil residierenden politischen Oppositionsbündnis der Syrischen Nationalkoalition auch die beiden salafistischen Rebellenmilizen Jaysh al Islam (Armee des Islam) und Ahrar ash-Sham (Islamische Bewegung der freien Männer der Levante). Gegen eine Verhandlungsteilnahme dieser beiden Milizen wenden sich Russland und der Iran, da diese Rebelleneinheiten enge ideologische und operative Verbindungen zur al-Nusra-Front unterhalten, dem syrischen Ableger des al-Qaida-Terrornetzwerkes. Die USA und die EU halten die Beteiligung beider islamistischen Rebellenverbände, die zu den größten auf dem syrischen Schlachtfeld gehören, jedoch für erforderlich.

Niederlande starten Angriffe

Die Extremistenmiliz Islamischer Staat soll keinesfalls in die Verhandlungen einbezogen, sondern weiterhin bekämpft werden. Seit Freitag wollen sich nun auch die Niederlande an den Luftangriffen gegen den IS in Syrien beteiligen. Geplant sind vor allem Angriffe im Osten Syriens, um die von dort laufende Versorgung der IS-Kämpfer im Irak zu stoppen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2016)

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