Museum forscht: Wien als Vorreiter für moderne Gemäldegalerien

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Wer denkt beim Besuch der Museen in London, Paris und New York, dass Wien als Vorreiter für Gemäldegalerien nach modernen, kunstwissenschaftlichen Aspekten gilt?

„Es war eine Sensation!“, erzählt Gudrun Swoboda vom Kunsthistorischen Museum Wien: „Eine wirkliche Vorreiterrolle hatte Wien in der Zeit um 1780.“ Sie leitet derzeit ein Projekt im Rahmen der „forMuse“-Förderung des Wissenschaftsministeriums (BMWF), das die wichtige Rolle der Museen als außeruniversitäre Forschungseinrichtungen hervorheben möchte. Die Sensation, von der sie spricht, war das Öffentlichmachen der „Kaiserlich-Königlichen Bildergallerie“. Um 1780 wurde die höfische Galerie aus der Hofburg, genauer aus der Stallburg, in ein großes Schloss außerhalb der Stadt übersiedelt: ins Belvedere. Im Zuge dessen wurden erstmals in Europa die Gemälde nach kunstwissenschaftlichen Kriterien gehängt und nicht nach dekorativen Gesichtspunkten geordnet.

„Früher dominierte der barocke Gesamteindruck. Die Bilder waren übereinander gehängt und nach Bezügen wie Landschaft, Stillleben oder Reiterschlacht geordnet. Hauptsache wandfüllend!“ Erst die kaiserliche Gemäldegalerie im Belvedere war nach dem sortiert, was 50 bis 70 Jahre später an Europas Universitäten als „Kunstschulen“ gelehrt wurde: Es gab das flämische Zimmer, das florentinische Zimmer etc. „Unsere Forschungen sollen keine hausinterne Studie alter Inventare sein, sondern die Vorreiterrolle untersuchen, die Wien im 18. Jahrhundert in Europa gespielt hat“, betont Swoboda. Die Ausrichtung nach Schulen und Chronologien und die Tatsache, dass das Museum öffentlich zugänglich war, setzten modernste Akzente in einem Fach, das später als „Kunstgeschichte“ etabliert wurde. „Wir können davon ausgehen, dass das Wiener Museum moderner war als das Musée Napoléon, dem Vorläufer des Louvre“, erklärt Swoboda. Welche Faktoren für diesen kulturellen Paradigmenwechsel verantwortlich waren und wie dieser mit der Entstehung der Kunstwissenschaft zusammenhängt, wollen sie und ihre Mitarbeiter im Rahmen des dreijährigen forMuse-Projekts herausfinden. Kunsthistorisches Museum Wien

Öffnungszeiten Kunsthistorisches Museum:

Dienstag bis Sonntag: 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr.

Adresse: Burgring 5, 1010 Wien. Telefon: 01/52 524-0

veronika.schmidt@diepresse.com

Infos: www.khm.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2009)

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