Wann ist das Kind wieder gesund?

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Die Grauzone zwischen Noch-krank- und Wieder-gesund-Sein macht Eltern zu schaffen. Manchmal verlangen Kindergärten ein Attest des Arztes.

Oft wünscht man sich eine kleine Ampel, die über dem Kopf des Kindes schwebt und objektiv Auskunft über dessen Gesundheitszustand gibt. Rot: zu Hause bleiben. Grün: Zähne putzen. Doch leider lässt sich die Frage, ob die Kleinen nun krank oder gesund sind, nicht immer eindeutig beantworten. Eltern, die schon einige Tage pflegend zu Hause verbracht haben, müssen daher abwägen.

Der ideale Weg wäre natürlich, das Kind sicherheitshalber noch zu Hause zu lassen. Nach einer Krankheit sollte man drei Tage fieberfrei sein, bevor man wieder in den Kindergarten geht, hieß es früher – und das war kein Problem, solange nicht beide Elternteile arbeiten gingen. „Drei Tage fieberfrei gibt es heute nicht mehr“, heißt es aus der St. Nikolausstiftung, Träger der meisten katholischen Kindergärten und Horte in Wien. Aber auch keine andere gültige Regel, daher sei die Sache heikel. Bei Fieber, Durchfall und starken Verkühlungen müsse das Kind natürlich zu Hause bleiben. „Aber ,krank‘ ist immer ein dehnbarer Begriff“, sagt Susanna Haas, die Pädagogische Leiterin der Stiftung.

Man müsse den Blick stets auf das Kind richten – und deshalb auch manchmal strenger sein. „Wenn ein Kind immer wieder beispielsweise mit Durchfall gebracht wird, kann es schon sein, dass wir vom Arzt eine Gesundschreibung verlangen, bevor es wieder gebracht wird“, sagt Haas. Prinzipiell fordere man ein ärztliches Attest aber nur bei meldepflichtigen Krankheiten wie etwa Salmonellen, bei denen sich ohnehin das Gesundheitsamt einschaltet. Bei ansteckenden Kinderkrankheiten wie Feuchtblattern setze man auf das Urteil der Pädagoginnen – wenn die typischen Anzeichen abgeklungen sind, könnten diese mit ihrer Erfahrung die Situation gut einschätzen. In diesen Fällen gehen die Eltern aber ohnehin meist zum Kinderarzt, was bei einfachen grippalen Infekten nicht unbedingt der Fall ist.

Hitzige Diskussionen. Die Gefahr der Ansteckung ist naturgemäß ein Thema, das den ganzen Kindergarten betrifft. Wenn das eigene Kind schon in der Garderobe ganz fest von einem Mädchen mit Husten und Rotznase gedrückt wird, möchte man am liebsten „Mindestabstand wahren!“ rufen.

Und da schon die Auswahl der Jausenäpfel manchen Elternabend füllen kann, werden ansteckende Krankheiten und die Frage, wer den Magen-Darm-Infekt oder die Läuse in die Gruppe gebracht hat, unter Eltern teilweise recht hitzig diskutiert. Doch das ist oft sinnlos, denn die Kleinen sind meist schon ansteckend, bevor die Eltern eine Krankheit überhaupt bemerken können.

Wenn dann vor der Kindergartengruppe das übliche Schild mit der Warnung vor der neuen Plage prangt (Scharlach, Läuse, Feuchtblattern), muss man als Mutter eine nicht eben einfache Entscheidung treffen: Nehme ich nun die nächsten drei Tage normalen Urlaub und bleibe auf Verdacht zu Hause, um eine Ansteckung zu verhindern, auch wenn es das Kind später vielleicht doch erwischen könnte, oder warte ich und verwende ich danach noch eine Woche des kostbaren Pflegeurlaubs?

Fieber als Indikator. So knifflig diese Überlegungen rund ums Zuhausebleiben sind, in einem Punkt gibt es Klarheit: Kinder fiebern rasch, und Fieber ist ein klarer Indikator. Solange ein Kind noch Temperatur hat, darf es nicht in den Kindergarten. „Es passiert selten, dass Kinder halbkrank gebracht werden“, sagt Monika Riha.

Die Geschäftsführerin der privaten Kinder-in-Wien-Kindergärten, kurz Kiwi, lobt die Eltern als (meist) sehr verantwortungsbewusst. Sie sieht aber auch, dass die Frage nicht einfach ist: „Man merkt, dass die Menschen am Arbeitsplatz großen Druck haben“, sagt sie. Ob die Gerüchte stimmen, dass manche Eltern den Kindern in der Früh noch fiebersenkende Mittel einflößen, damit die Idealtemperatur erreicht wird? Das könne sie nicht beurteilen, sagt sie: „Wir würden das ja nicht wirklich bemerken.“ Auch bei Kiwi gibt es keine allgemeine Regel dafür, ab wann ein Kind nach einer Krankheit wieder in den Kindergarten kann. „Manche Kinder werden schnell gesund, das ist sehr individuell“, sagt Riha. Manche Kinder seien einen Tag krank und am nächsten tatsächlich wieder fit, andere würden Wochen an einer Krankheit laborieren.
Eltern müssen sich also selbst ihre kleine Ampel konstruieren, wenn der Arzt nicht ohnehin eine klare Handlungsanweisung gegeben hat.

Nur die kann auch täuschen. Denn wenn Eltern schon einige Tage mit dem Kind zu Hause sind und es fröhlich an seinem Puzzle baut, liegt der Gedanke nahe, dass es doch in den Kindergarten hätte gehen können. Doch dort ist es für ein Kind auch um einiges aufregender – und damit auch anstrengender. Wann ist ein Kind also gesund genug? Als Mutter oder Vater weiß man es wohl mit Sicherheit erst im Nachhinein.

Auf einen Blick

Pflegeurlaub: Die rechtliche Lage

Anspruch auf Pflegeurlaub – korrekt heißt es Pflegefreistellung – haben Arbeitnehmer im Ausmaß von einer Woche, wenn ein naher Angehöriger (Kind, Gatte, eingetragener Partner oder auch das Kind des Partners aus einer früheren Beziehung etc.) erkrankt ist, gepflegt werden muss und keine andere Pflege (etwa durch die Oma des Kindes) möglich ist. Pflegefreistellung steht einem im Ausmaß der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zu, bei einer Teilzeitbeschäftigung also entsprechend weniger. Diese eine Woche gilt unabhängig davon, wie viele Kinder man hat. Bei Kindern unter zwölf Jahren hat man Anspruch auf eine weitere Woche, die zwei Wochen dürfen nicht hintereinander genommen werden.

Grundsätzlich muss man mit dem zu pflegenden Kind im selben Haushalt leben. Ausnahme: Leibliche Eltern sowie Wahl- und Pflegeeltern haben auch nach der Trennung Anspruch auf Pflegefreistellung, selbst wenn sie nicht im Haushalt mit dem Kind leben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2016)

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