Wien: Leere Geschäfte als Schulen nutzen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Grünen schlagen vor, leere Erdgeschoßzonen als Schulen zu nutzen. Gebäude der Stadt sollen darauf geprüft werden, ob sie als Schule infrage kommen, bevor sie verwertet werden.

Wien. Not macht bekanntlich erfinderisch. In einer wachsenden Stadt genug Schulplätze zu schaffen wird eine der großen Herausforderungen der Zukunft sein. Der grüne Gemeinderat Christoph Chorherr schlägt vor, leer stehende Geschäftslokale für Schulzwecke zu nutzen.

„Wir müssen von dem Gedanken weg, dass eine Schule immer in einem Gebäude ist“, sagt er zur „Presse“. Und: „Es gibt ganze Straßenzüge, wo es viele leer stehende Erdgeschoßzonen gibt. Warum soll man diese nicht nutzen, um hier zu unterrichten“, sagt er. Gleichzeitig könne man die ungewöhnlichen räumlichen Gegebenheiten auch an neue, experimentelle pädagogische Konzepte koppeln. Er wolle es aber einzelnen Direktoren überlassen, ob sie sich vorstellen könnten, eine derartige „Geschäftslokalschule“ zu betreiben. „Ich weiß aber, diese Direktoren gibt es“, sagt er.

Streit: Wohnung oder Schule

Chorherrs Vorschlag ist durchaus unkonventionell – aber ungewöhnliche Lösungen sucht die Stadt derzeit auch. „Wir denken in alle Richtungen“, heißt es aus dem Ressort der zuständigen Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ). Wie die „Presse“ am Dienstag berichtete, wird es in den nächsten Jahren vor allem in den Bezirken innerhalb des Gürtels viele Kinder geben – Grund dafür ist die dort vorherrschende junge Altersstruktur. So werden in Mariahilf wie Neubau Prognosen zufolge bis 2023 rund 32 Prozent mehr schulpflichtige Kinder wohnen – das sind 839 bzw. 809 Kinder. Die Josefstadt wächst um 24 Prozent (594 Kinder), Alsergrund um 29 Prozent (768 Kinder).

Einige Ideen dafür, wie man das Problem der benötigten Schulplätze im dicht besiedelten Gebiet lösen will, gibt es schon: Laut der zuständigen MA 56 will man künftig etwa aus Holzfertigteilen Schulanbauten fertigen – Freiflächen wie Sportplätze, die dafür verbaut werden müssten, würden auf das Dach verlegt. Weiters solle es eine bessere Vermischung von Wohn-, Geschäfts- und Schulbauten geben. So möchte man etwa auf Supermärkte aufbauen – eine derartige Aufstockung wird für die Breitenfurter Straße vorbereitet.

Wenn es nach den Grünen geht, sollen künftig auch alle frei werdenden Gebäude im Besitz der Stadt und des Bundes zuerst auf ihre Tauglichkeit als Schulgebäude geprüft werden, bevor sie verwertet – etwa in Wohnungen verwandelt – werden. „Momentan hat die Stadtentwicklung zwei Herzklappen: Das eine ist, dass mehr Wohnraum errichtet werden muss, das andere sind die Schulen. Darum dreht sich im Moment der Streit, wenn Ressourcen frei werden“, sagt Chorherr.

Derartige Diskussionen gibt es derzeit etwa auch um das ehemalige Gebäude der IHS in der Stumpergasse in Mariahilf. Das Gebäude steht leer. Die Grünen wollten, dass hier eine Schule errichtet wird – vor der Gemeinderatswahl in Wien verkündete die SPÖ, dass hierher ein Gemeindebau kommt. Für die Schule wurde noch kein adäquater Ersatzstandort gefunden. Einen Interessenkonflikt gibt es auch in der Josefstadt, die dringend ein Schulgebäude möchte – und zwar im ehemaligen Bundesrechenzentrum in der Rathausstraße. Es wurde allerdings schon beschlossen, dass hier Büros errichtet werden. In Neubau läuft die Diskussion um das Sophienspital noch, für das es unterschiedlichste Pläne von Wohnungen über ein Altersheim bis hin zu einem Flüchtlingsheim gibt. Die Grünen – allen voran Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger – wollen sich für einen Schulstandort einsetzen. „Es ist momentan unsere oberste Priorität, die nötige Infrastruktur für die vielen Kinder zu schaffen – über die wir uns ja prinzipiell sehr freuen“, sagt Chorherr.

Antrag im Gemeinderat

Die ÖVP möchte heute, Mittwoch, im Gemeinderat einen Entschließungsantrag darauf einbringen, dass die Stadt noch einmal ganz genau prüft, wo wie viele Schulen gebraucht und errichtet werden sollten. „Es ist höchst an der Zeit, dass die Wiener Stadtregierung der Realität ins Auge sieht und diese plant“, sagt ÖVP-Chef Gernot Blümel. Die Neos wünschen sich eine weitere Entrümpelung der Bauordnung, damit Schulbauten billiger errichtet werden können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2016)

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