Wikileaks sät Zwietracht um Griechenland

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Christine Lagarde Angela Merkel Wirtschafts und Finanzorganisationen DEU Deutschland Germany B(c) imago/IPON (imago stock&people)
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Das veröffentlichte Telefongespräch von IWF-Verhandlern sorgt allerorten für Verstimmung: Berlin wittert Erpressung, Athen fühlt sich in den Bankrott getrieben.

Wien/Athen. Seit sieben Jahren bilden sie ein Verhandlungsteam. Drei Hilfsprogramme für Griechenland haben der Internationale Währungsfonds (IWF), die Europäische Kommission und die EZB auf den Weg gebracht. Aber ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Die Troika liegt sich in den Haaren. Mehr noch als mit Athen streitet sie untereinander. Es wird gefeilscht, gedroht, Druck gemacht. Man könnte auch sagen: erpresst.

Dennoch: Am meisten Wirbel hat die von der Enthüllungsplattform WikiLeaks transkribierte Telefonkonferenz von drei IWF-Vertretern in Athen gemacht. Die Regierung hat eine Sondersitzung einberufen und eine Erklärung verlangt: Ob es offizielle Position des Fonds sei, dass er „die Bedingungen für einen Staatsbankrott herbeiführen“ will. Premier Tsipras polterte: „Einige Leute scheinen Spielchen zu spielen, mit dem Ziel, uns zu destabilisieren. Wir werden Herrn Thomsen nicht erlauben, Europa zu zerstören“.

Nun wünscht sich Poul Thomsen, der IWF-Chef für Europa, in dem reichlich wirren und vagen Telefonat tatsächlich „ein Ereignis“ herbei, „was immer es auch sei“. Und „ein Kreditereignis“ tritt für Finanzleute dann ein, wenn ein Schuldner nicht mehr zahlen kann. Aber vor allem zeigen sich die IWF-Verhandler frustriert darüber, dass sie die europäischen Geldgeber noch immer immer nicht zu einem Schuldenschnitt überreden konnten, „um der Griechen willen“. Ihre Erfahrung zeige, dass sich die Eurozone und Athen immer erst dann zu Entscheidungen durchringen, wenn es ernst wird. Ohne Haircut aber – und das ist seit Langem offizielle Position des IWF – werde Griechenland sein Schuldenproblem nicht nachhaltig los.

In Kürze soll die Troika in Athen die Fortschritte bei der Umsetzung der Auflagen zum dritten Hilfsprogramm überprüfen. Ist das Ergebnis positiv, macht sie eine neue Tranche von fünf Mrd. Euro locker. Größere Tilgungen stehen bis Juli aber nicht an.

IWF will Schuldenschnitt erzwingen

Die europäischen Geldgeber, allen voran Deutschland, hatten dem IWF zwar versprochen, bei entsprechendem Reformfortschritt auch über „eine Umstrukturierung“ der Schulden zu sprechen, was auf einen Haircut hinauslaufen könnte. Aber die IWF-Vertreter sind sich sicher, dass Europa dieses Thema einmal mehr auf die lange Bank schieben will – schon wegen des Brexit-Referendums im Juni. Brüssel halte an unrealistischen Schönwetter-Prognosen zum griechischen Defizit fest, um die Notwendigkeit eines Schuldenerlasses herunterzuspielen.

Deshalb wollen Thomsen und seine beiden Mitstreiterinnen der deutschen Kanzlerin das Messer ansetzen: „Schauen sie, Frau Merkel, Sie müssen sich überlegen, was mehr kostet: ohne den IWF weiterzumachen“ oder „den Schuldenerlass zu wählen“, um „uns an Bord zu halten“. Nun betonte auch IWF-Chefin Christine Lagarde immer wieder, dass der Fonds eine Teilnahme am dritten Hilfsprogramm von einem Schuldenschnitt abhängig mache. Aber die Europäer hoffen, sich auf schwächere Konzessionen einigen zu können, wie längere Laufzeiten und niedrigere Zinsen.

Deshalb muss die unverhohlene Drohung für Verstimmung sorgen – vor allem in Berlin. Der Bundestag hatte im vorigen Sommer auch deshalb für das Hilfsprogramm gestimmt, weil Merkel und Finanzminister Schäuble einen Schuldenschnitt ausgeschlossen hatten. Dass Steuergelder endgültig verloren sind, ist den Wählern schwer zu vermitteln. Auch wegen der Flüchtlingskrise will Deutschland das Thema nicht wieder hochkochen lassen: Zur Umsetzung des Flüchtlingdeals mit der Türkei ist Merkel darauf angewiesen, dass die Griechen ihre Rolle erfüllen. „Das ist eine Frage zur Unzeit“, ärgert sich CDU-Abgeordneter Roderich Kiesewetter über den IWF. Zuerst müsse Griechenland Reformen erfüllen, „erst dann kann man über alles weitere reden“. Was das bedeutet, haben die IWF-Verhandler freilich in sieben Jahren Verhandlungen gelernt: „Es wird ewig so weitergehen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2016)

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