Erste Mondlandung: "Contact light... ... Engine stop!"

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Als heute vor 40 Jahren der erste Mensch seinen Fuß auf den Mond setzte, wurde der Triumph der Technik – und des Westens – nur von jenem der Inszenierung übertroffen: Ein Siebentel der Menschheit sah und hörte zu. Aber das Interesse war nicht von Dauer.

Roger, Tranquillitatis. Wir haben alles mitverfolgt. Die ganze Bande ist blau angelaufen. Jetzt holen wir wieder Luft. Danke vielmals.“ Das waren die ersten Worte, die von der Erde zum Mond drangen, es war Sonntag, der 20. Juli 1969, 15.17 Uhr und 40 Sekunden ostamerikanischer Zeit (bei uns 21.17 Uhr). Man hatte im Kontrollzentrum mitbekommen, dass der vorgesehene Landeplatz zu gefährlich war und Neil Armstrong den Autopiloten abgestellt hatte, er steuerte selbst. Viel Zeit blieb ihm nicht: Die Mondfähre hatte noch Treibstoff für 85 Sekunden, 45 brauchte er, neben ihm stand Edwin „Buzz“ Aldrin – die Fähre hatte keine Sitze, sie war zu klein – und las die Instrumente ab: „122 Meter ...Sinkgeschwindigkeit 2,7 Meter pro Sekunde ... wirbeln etwas Staub auf . . . treiben etwas nach rechts ...0,2 abwärts ... gut, gut ... Kontaktlicht ... Okay ... Triebwerk aus!“ Das waren die ersten Worte, die vom Mond zur Erde drangen, Armstrong musste sich zunächst etwas beruhigen, sein Puls war auf 156, dann kamen von ihm die ersten offiziellen Worte: „Houston. Hier ist Basis Tranquillitatis. Der Adler ist gelandet.“

Auch Aldrin sprach im „Meer der Ruhe“ ein paar historische Sätze: Jeder Mensch auf dem Erdenrund möge einen Moment innehalten und über die Ereignisse der letzten Stunden nachdenken. Er hatte eigentlich etwas anderes sagen wollen bzw. die Nasa hatte ihn etwas anderes sagen lassen wollen: Zitate aus der „Genesis“. Aber eine streitbare Atheistin war in den USA gegen jede religiöse Aktivität im All vor Gericht gezogen. Deshalb verriet Aldrin erst viel später, was er nach seiner kleinen Rede tat: Er nahm das Abendmahl, ein Pastor seiner presbyterianischen Gemeinde hatte es ihm mitgegeben, das Gefäß steht heute in einer Kirche in Webster, Texas, nahe dem Johnson Space Center.


Nur Atombomben lauter. So besinnlich war der Anfang der Reise nicht. „Der Anblick der startenden Mondrakete, des 36 Stockwerke hohen, schneeweiß gestrichenen Giganten, ist nicht zu beschreiben“, erinnert sich Jesco von Puttkamer, ein deutscher Ingenieur, der an der Entwicklung der Saturn-V-Rakete mitgearbeitet hatte. Und seine Ohren konnten es auch kaum fassen: „Die Geräusche sind stärker als alle, die Menschen jemals auf der Erde verursacht haben, mit Ausnahme der Atombombenexplosionen.“ („Abenteuer Apollo 11“, Herbig 2009)

Zumindest in der dichterischen Fantasie hatte es schon einmal einen vergleichbaren Knall gegeben, gar nicht weit weg vom Startplatz der wirklichen Mondrakete – sie hieß „Columbia“ – in Florida: Jules Verne ließ dort mit einer riesenhaften Kanone namens „Columbiade“ die ersten Menschen zum Mond schießen („Von der Erde zum Mond“). Seine Ortswahl war realistisch: Je näher am Äquator ein Flugkörper ins All startet, desto leichter kommt er hinaus, die Erddrehung hilft. Deshalb startet man so weit südlich, wie es in den USA eben geht.

Auch Vernes Szenario war nicht ohne: In den USA war der Sezessionskrieg zu Ende, die Rüstungsindustrie suchte neue Betätigung und fand sie im Schuss zum Mond. Tatsächlich dachte kein Mensch in den USA damals daran; die Ideen zum Mondflug wurden Anfang des 20. Jahrhunderts in Russland und Deutschland geboren, von Konstantin Zielkowski und Hermann Oberth. Letzterer hatte begabte Schüler – der beste, zumindest in der öffentlichen Darstellung der Projekte und seiner selbst, war Wernher von Braun –, sie bauten die deutschen Wunderwaffen V1 und V2, nein, sie bauten sie natürlich nicht, sie zeichneten die Pläne, gebaut wurden sie am Ende von KZ-Insassen.

Nach dem Krieg kam die Crew um den früheren SS-Hauptsturmbannführer von Braun dennoch in die USA – auf dunklen Wegen, der Geheimdienst schleuste sie mit gefälschten Biografien an den Einwanderungsbehörden vorbei. Man entwickelte Raketen für atomare Sprengköpfe. Von Braun lancierte auch immer wieder Ideen der bemannten Raumfahrt, fand aber unter US-Präsident Eisenhower wenig Gehör.

In der Sowjetunion war das anders, sie hatte eigene Spezialisten – die „Stalin-Orgeln“ verschossen Raketen –, sie setzte früh auf den Wettlauf ins All. 1957 flog die Hündin Laika um die Erde, 1961 Juri Gagarin. Der Kalte Krieg war auf dem Höhepunkt, der um Systemüberlegenheit und Reputation auch, 14 Tage nach dem Triumph Gagarins erlebten die USA das Debakel um die versuchte Invasion Kubas in der Schweinebucht. Sie mussten sich etwas einfallen lassen, und dem nunmehrigen Präsidenten John F.Kennedy fiel etwas ein: Er versprach im Mai 1961 in einer historischen Rede, „noch in diesem Jahrzehnt“ würden Menschen zum Mond gebracht und „sicher zurück“.


Großer Schritt, kleine Pannen. Leisten sollte das die Nasa, eine erst 1959 gegründete kleine Organisation, nun wurde sie groß. In das „Apollo“-Programm des Mondflugs floss Geld – 24 Milliarden Dollar, heute wären es etwa 130 Milliarden –, am Ende arbeiteten 400.000 Menschen daran. Am Anfang misslang alles, Raketen explodierten beim Start, drei Astronauten verbrannten. Aber dann kam die Saturn V, sie war zuverlässig, sie brachte die „Eagle“ und ihre Besatzung zum Mond – neben Armstrong und Aldrin den Kommandanten Michael Collins, er umrundete den Mond, während die anderen unten waren –, in 102 Stunden, 45 Minuten und 40 Sekunden. Der erste Teil von Kennedys Versprechen war eingelöst. Sechseinhalb Stunden nach der Landung machte Armstrong seinen großen Schritt für die Menschheit, Aldrin folgte, es ging nicht alles glatt, technisch nicht – sie kamen kaum aus der „Eagle“ hinaus, die Luke war zu klein –, menschlich auch nicht, Aldrin verkraftete die Rolle des Zweiten schwer. Aber sie taten etwas für die Wissenschaft, sammelten Mondgestein und stellten Messinstrumente auf. Und sie taten etwas für die höhere Ehre der Nation, rammten die US-Flagge in den Mondboden.

Sie wollten es wenigstens, es ging nicht, der Boden war zu hart, sie schichteten behelfsweise Steine um den Fuß des Schafts. Das hielt bis zum Abflug, dann blies der Raketenstrahl das Banner um, Armstrong sah es, behielt es aber für sich, die Show musste perfekt bleiben. Auch Aldrin verriet lange nicht, dass die Helden nebenbei Menschen waren und vor allem von einem Problem geplagt wurden, dem des Urinierens in der Schwerelosigkeit. Die Nasa hatte dafür zwar Spezial-Kondome entwickelt, aber manches ging daneben, schwebte in der Kabine herum und musste mit den Händen eingefangen werden.

Davon war natürlich keine Rede bei der triumphalen Rückkehr, noch einmal wurde die Inszenierung gesteigert, Präsident Nixon persönlich nahm die Astronauten in Empfang – durch eine Scheibe hindurch, sie waren aus Furcht vor Mondbakterien zur Quarantäne in einem Container –, und andere Menschen gab es auch. 600 bis 700 Millionen Menschen – ein Siebentel der Menschheit – hatten die Mondlandung im TV gesehen, viele wollten die Heroen auch aus der Nähe bewundern. Sie wurden auf Welttournee geschickt, herumgereicht wie Rockstars. Aber sie waren keine, sie und ihre Nachfolger – insgesamt waren zwölf Menschen auf dem Mond, alles US-Amerikaner und Männer – waren auf die Rolle nicht vorbereitet, gerieten in eine metaphorische Quarantäne, viele ihrer Familien zerbrachen.


Wieder Ruhe. Der Ruhm der Mission tat es auch: Vier Wochen, nachdem die US-Fahne auf dem Mond umgeblasen worden war, zerriss Jimmy Hendrix die US-Hymne in Woodstock auf der Gitarre, der hässliche Alltag war wieder da, Vietnam vor allem und die Bürgerrechte der Schwarzen. Das Interesse am Mond verpuffte, nicht so lautstark wie die Antriebsgase der Saturn V, aber wirkungsvoll. Schon der dritte Flug interessierte keinen mehr, nach dem sechsten brach die Nasa das Programm vorzeitig ab, seitdem hat der Mond wieder ... Tranquillitas.

In Zahlen

12Menschen
waren bisher auf dem Mond – allesamt

US-Amerikaner und Männer.

24Milliarden Dollar
– nach heutigem Geldwert rund 130 Milliarden Dollar – kostete das Apollo-Programm der USA.

382Kilogramm
Mondgestein wurden von den Astronauten auf die Erde gebracht.

187Tonnen
Material wurden von den Raumfahrern auf dem Mond hinterlassen – großteils zerschellte Sonden und ausgebrannte Raketenteile.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2009)

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