Das All denken, mit Mondstaub malen

From left,  Buzz Aldrin, Neil Armstrong, Maj. Gen. Michael Collins, pose for a portrait in front of a
From left, Buzz Aldrin, Neil Armstrong, Maj. Gen. Michael Collins, pose for a portrait in front of a(c) AP (Marcus Yam)
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Zwölf Männer waren auf dem Mond, das Erlebnis hat sie überwältigt, oft überfordert: was aus den Astronauten wurde.

Zwölf Menschen, allesamt Männer und US-Amerikaner, setzten ihre Füße auf den Nachbarn, neun leben noch. Für alle war der Hinflug einfacher als die Rückkehr zur Erde, sie waren von dem Erlebnis überwältigt und von der Heldenrolle überfordert, viele Familien zerbrachen, manche der Männer auch. „Buzz“ Aldrin etwa, der Zweite auf dem Mond, versank in Depression und Alkoholismus, er rettete sich in den Glauben – und behielt den alten Technik-Glauben bei, der heute 79-Jährige entwirft Szenarien für die Fahrt zum Mars.

Auch andere wandten sich dem Übersinnlichen zu, Jim Irwin etwa auf Geheiß Gottes selbst, der hatte ihm auf dem Mond zugeflüstert, er möge die Nasa verlassen und sich der Kirche zuwenden. Auf die eigene spirituelle Kraft setzt(e) Edgar Mitchell, nachdem er auf dem Flug zum Mond einen „Augenblick der Erkenntnis“ hatte: Er vernahm keinen Gott, sondern eine generelle Intelligenz, die sich im Bewusstsein jedes Menschen manifestiert – oder es zumindest kann –, sofern sich dieses Bewusstsein nur auf Erweiterung einlässt. Die kann durch Erlebnisse wie den Mondflug ausgelöst werden, oder auch durch LSD, Mitchell hat studiert, und in den Sechzigerjahren wurde an US-Universitäten viel experimentiert.

So hatte Mitchell schon einiges im Hinterkopf, als er zum Mond flog, auf dem Rückweg unternahm er gar ein parapsychologisches Experiment, wollte telekinetisch Bilder an Freunde auf der Erde schicken (die Nasa wusste nichts, sie hätte ihn sonst nie fliegen lassen, es wurde später ausgeplaudert). Das Experiment misslang – die Freunde konzentrierten sich zur falschen Zeit auf die Botschaft –, aber Mitchell blieb dabei. Er quittierte den Dienst bei der Nasa und gründete das „Institute of Noetic Science“, in dem der 78-Jährige bis heute die Welten vereinen will – Leib und Seele, Wissenschaft und Religion –, es soll über eine Theorie der „Quantenholografie“ laufen. Mitchell ist durchaus von dieser Welt, ließ sich gar den Bart rasieren, als manche ihn zum Propheten stilisieren wollten (und andere immer wieder bemerkten, dass ausgerechnet zwölf Männer auf dem Mond waren). Er ist umgänglich – anders als Neil Armstrong, der sich kaum in der Öffentlichkeit zeigt und Signierbitten schroff ablehnt –, und gesteht den anderen ihre Wege zu, die Erfahrungen zu verarbeiten: „Alan Bean, ein netter Kerl, drückt das, was er erlebt hat, in Bildern aus.“

Auch Bean, heute 77, hatte seine Krise und Scheidung, er verließ die Nasa, wandte sich der Staffelei zu. Und malt seitdem die Menschen auf dem Mond, in realistischer Manier mit leicht impressionistischem Einschlag, und mit realen Zutaten: Manchmal mischt er etwas Mondstaub in seine Farben, manchmal Schnipsel der Abzeichen seines Raumanzugs, dann stapft er wieder mit den Mondstiefeln über die Leinwand.

Traum von der Besiedelung des Mondes

„Es gibt nur wenige Farben, die man für den Mond verwenden kann, wenn er echt aussehen soll, Rot- und Orange- und Gelbtöne“, hat er gelernt, bei bisher 168 Bildern, die ihm pro Stück bis zu 50.000 Dollar bringen. Auf 200 will er es bringen, er arbeitet langsam, er weiß, dass die Dinge Zeit brauchen, auch die Besiedelung des Mondes, von der er, wie manche der anderen, träumt: „Von der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus bis zu Jamestown – der ersten dauerhaft besiedelten Kolonie – dauerte es 127 Jahre.“

Zusammengetragen hat das alles und viel mehr Andrew Smith in seinem lesenswerten Buch „Moonwalker“, Fischer, 2009.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2009)

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