Nach der beleidigten Reaktion des türkischen Präsidenten auf einen Satirebeitrag im deutschen TV spielen die TV-Narren umso intensiver ihre Narrenfreiheit aus. Auch, wenn nun sogar die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Der Hofnarr im Mittelalter hatte die Aufgabe, hinter der Fassade des Scherzes Kritik an den bestehenden Verhältnissen zu äußern. Und das, weil als Institution der Kritik gewünscht, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen – daher auch der Begriff der Narrenfreiheit.
Doch was früher innerhalb der Mauern der Paläste blieb, macht in der globalisierten Welt die Runde. Und so trifft der Spott der neuen Hofnarren heute auch Adressaten, die mit dem Konzept der in Scherze verpackten Kritik nicht viel anfangen können. Wenn sich heute etwa deutsche TV-Satiriker am türkischen Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, abarbeiten, bringen sie damit ihre Staatsführung in die Bredouille. Denn einerseits muss sie die westlichen Errungenschaften von Presse- und Meinungsfreiheit gegen Angriffe von außen verteidigen – vor allem gegenüber jenen, die dieses Konzept in ihrem Land niederdrücken. Andererseits gilt es aber, den türkischen Verbündeten in der Flüchtlingsfrage nicht zu verprellen.
Auftritt des obersten Hofnarren
Das ließ sich zunächst auch noch bewältigen. Als vergangene Woche im NDR-Satiremagazin „Extra3“ ein – weitgehend harmloses – scherzhaftes Lied über Erdoğan gespielt und daraufhin der deutsche Botschafter ins türkische Außenministerium zitiert wurde, verkündete man in Berlin, dass er dort Presse- und Meinungsfreiheit als hohe Güter verteidigt hatte, die gemeinsam geschützt werden müssten. Doch dann meldete sich Jan Böhmermann, derzeit der wohl oberste Hofnarr der Deutschen, zu Wort. Und sein Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten, vorgebracht in Böhmermanns „Neo Magazin Royale“, lotete die Grenzen dessen, was Satire darf, nicht nur aus, sondern überschritt sie ganz bewusst.
Verpackt in die Formel, dass eben genau das keine Satire mehr sei, zieh der Komiker den Präsidenten etwa des Sex mit Ziegen und bezeichnete ihn als „Recep Fritzl Priklopil".
Es folgte ein diplomatischer Eiertanz von Kanzlerin Angela Merkel in einem Telefongespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten, Ahmet Davutoğlu. Beide seien sich einig gewesen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert später, dass es sich um „einen bewusst verletzenden Text" handle. Ob es eine Entschuldigung von Merkel gegeben habe, ließ er offen.
Immerhin, das ZDF hatte das Gedicht aus dem Beitrag in der Mediathek herausgeschnitten. Begründung: „Die Parodie zum Umgang des türkischen Präsidenten mit Satire entspricht nicht den Ansprüchen, die das ZDF an die Qualität von Satiresendungen stellt.“
Übers Ziel geschossen?
Ob Böhmermann damit über das Ziel hinausgeschossen oder einen genialen Coup gelandet hatte, darüber gingen die Meinungen in der Öffentlichkeit auseinander. Am Mittwochabend kam schließlich die Meldung, dass die Staatsanwaltschaft Mainz Ermittlungen aufgenommen hat. Wegen Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten.
Was allerdings härter klingt, als es ist – nach 20 Strafanzeigen von Privatpersonen muss sie jedenfalls prüfen, ob ein strafbares Verhalten vorliegt.
Medial wird nun vorgerechnet, dass Böhmermann dafür sogar bis zu drei Jahre in Haft gehen könnte.
Beleidigen hinter dem Satire-Schutzschild?
Doch all die Aufregung könnte sich am Ende als Theaterdonner herausstellen. So wies der im Netz bekannte Medienrechtler Christian Solmecke per YouTube-Clip darauf hin, dass das Schmähgedicht im Gesamtkontext der Sendung zu sehen sei. Und da Böhmermann den Trick mit dem „das darf man nicht“ angewandt habe, sei dies eindeutig Teil einer Satire gewesen.
Die deutsche Satire scheint das Thema jedenfalls nicht ruhen lassen zu wollen. In „Extra3" folgte Mittwochabend ein weiterer boshafter Beitrag über Erdoğan und seinen fiktiven PR-Berater „Erkan Alles". Und Böhmermann? Dessen neuester Clip zeigt ihn zweieinhalb Minuten lang vor dem Fernseher beim Popcornessen. Der Hofnarr scheint mit dem Verlauf zufrieden.