Der Gesetzgeber habe kein bedingungsloses Grundeinkommen gewollt, betont der Verwaltungsgerichtshof. Die Höchstrichter stellen daher klar, dass bei mangelnder Arbeitsbereitschaft die Mindestsicherung wegfallen darf.
Wien. Während die Politik über mögliche Kürzungen bei der Mindestsicherung diskutiert, zeigt ein aktuelles Urteil des Höchstgerichts, dass die Sozialleistung Arbeitsunwilligen auch ganz entzogen werden kann. Im Anlassfall geht es um einen in Salzburg aufhältigen Obdachlosen, der keinerlei Ambitionen für Maßnahmen gezeigt hat, die ihm die Wiedereingliederung in die Arbeitswelt möglich machen sollten. Die gegen ihn verhängte Kürzung der Mindestsicherung aber wurde gerichtlich bekämpft.
Ein ärztliches Gutachten hatte ergeben, dass der Mann eingeschränkt arbeitsfähig sei. Mehrere Punkte wurden dem Mann aufgetragen. So solle er etwa eine Alkoholfachberatung machen, psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen und sich wegen einer Wohnung informieren lassen. Nichts von dem wollte der Obdachlose erfüllen. Die Mindestsicherung, die der Mann seit 2012 bezog, wurde darauf immer wieder gekürzt, einmal um 75, einmal um 50 Prozent, dann gar nicht mehr ausbezahlt. Schließlich wurde der Mann darauf hingewiesen, dass die Hilfe für seinen Lebensunterhalt künftig um 99 Prozent gekürzt werde, wenn er die Auflagen weiterhin nicht erfülle.
Mindestsicherung ist Ländersache. Es gibt aber eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern. Laut dieser können Leistungen gekürzt werden, wenn sich der Betroffene trotz Ermahnung weigert, arbeiten zu gehen. Diese Kürzung hat stufenweise zu erfolgen und darf grundsätzlich nur dazu führen, dass jemand die Hälfte der Mindestsicherung verliert. In Ausnahmefällen aber kann die Mindestsicherung laut der Vereinbarung ganz entfallen.
Um wie viel Prozent kürzen?
Der Bürgermeister der Stadt Salzburg kürzte per Bescheid die Mindestsicherung für den Obdachlosen um 99 Prozent. Das gegen diesen Bescheid angerufene Landesverwaltungsgericht befand die Maßnahme aber als zu drastisch und rechtlich nicht gedeckt. Stattdessen meinte es, dass eine Kürzung um 87,5 Prozent der Mindestsicherung richtig sei – also, dass man nur mehr ein Achtel der sonstigen Summe bekommt. Das sei auch der Prozentsatz, der zum Tragen komme, wenn man bei einem stationären Aufenthalt (wo sonst alles gedeckt sei) das Taschengeld für den Betroffenen errechne.
„Beharrliche Verweigerung“
Bei dieser Berechnung bekomme man als Betroffener noch genug, um die absolut notwendigen menschlichen Grundbedürfnisse abzudecken, meinte das Landesverwaltunsgericht. Beim Obdachlosen wären das rund 76 Euro im Monat. Das sei hier angemessen, meinten die Salzburger Richter, weil beim Betroffenen eine „äußerst seltene und beharrliche Verweigerung des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft“ vorliegt.
Der von der Salzburger Landesregierung angerufene Verwaltungsgerichtshof betonte aber, dass man die Gesetze in Wahrheit noch strikter interpretieren müsse. Würde man nämlich nur eine Kürzung auf ein Achtel des Mindestsatzes zulassen, „so käme dies einem vom Gesetzgeber nicht gewollten bedingungslosen Grundeinkommen in dieser Höhe gleich“, erklärten die Höchstrichter in ihrem Urteil. Und stellten damit nun auch klar, dass die Mindestsicherung Arbeitsunwilligen zur Gänze entzogen werden kann.
Auch andere Bundesländer kennen den Entfall von Leistungen der Mindestsicherung. So ist etwa nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz „eine weitgehende Kürzung“ oder der „gänzliche Entfall von Leistungen“ ausnahmsweise zulässig. Die oberösterreichischen Normen zur Mindestsicherung sehen wiederum vor, dass die Leistung unter Umständen „von vornherein nicht gewährt“ werden könne.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2016)