„Bibis“ Personalpoker: Rechtsruck in Jerusalem

Israel´s Prime Minister Netanyahu sits next to Foreign Minister Lieberman after delivering a statement in Jerusalem
Israel´s Prime Minister Netanyahu sits next to Foreign Minister Lieberman after delivering a statement in Jerusalem(c) REUTERS (BAZ RATNER)
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Rochade im Verteidigungsministerium: Premier Netanjahu ersetzt Parteifreund Moshe Yaalon durch den rechten Hardliner und Ex-Außenminister Avigdor Lieberman. Er tritt in die Koalition ein, um eine Friedensinitiative zu torpedieren.

Wien/Jerusalem. Moshe Yaalon blieb nichts anderes übrig, als sich mit Pauken und Trompeten zurückzuziehen. Vor wenigen Tagen hatte Israels Premier, Benjamin Netanjahu, seinen Verteidigungsminister einbestellt, um ihm die Leviten zu lesen. Der Ex-Generalstabschef, Yaalon, hatte sich hinter einen seiner Topmilitärs gestellt. Vizegeneralstabschef Yair Golan hatte kürzlich, ausgerechnet zum Holocaust-Gedenktag, den Rassismus im eigenen Land angeprangert und eine Parallele zum Deutschland der 1930er gezogen.

Yaalon hatte sich auch in der Kontroverse um einen israelischen Soldaten, der einen auf den Boden liegenden, bewusstlosen Palästinenser per Kopfschuss exekutiert hatte, mit seinem Premier überworfen. Netanjahu stellte sich demonstrativ auf die Seite des Soldaten, der sich vor Gericht zu verantworten hatte. Jetzt rechnete der treue Likud-Mann Yaalon mit dem Regierungschef und den extremistischen Tendenzen in Israel ab. Das Land habe in grundlegenden Fragen seinen „moralischen Kompass“ verloren.

Buhlen um „Buji“ Herzog

Die Rochade vollzieht sich vor dem Hintergrund einer Regierungsumbildung innerhalb der Rechts-Koalition in Jerusalem, die in der Knesset nur über eine Stimme Mehrheit verfügt. Der Premier hatte seinen Parteifreund Yaalon vor vollendete Tatsachen gestellt und öffentlich brüskiert. Netanjahu zog nämlich wieder einmal ein Ass aus dem Ärmel. Er pokerte mit seinem Ex-Außenminister, Avigdor Lieberman, um einen Wechsel in die Koalition und bot ihm den Posten des Verteidigungsministers an. Über die Ressorts und eine Rentenreform sind sie sich handelseins geworden, am Wochenende soll der Deal mit dem ultranationalen Chef der Siedlerpartei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) nun perfekt werden. Die Korruptionsermittlungen gegen Lieberman sind im Sand verlaufen.

In monatelangen Geheimverhandlungen hatte Langzeitpremier Netanjahu um Isaac Herzog und einen Eintritt von dessen Arbeitspartei gebuhlt. „Buji“ Herzog, der Sohn des Ex-Präsidenten Chaim Herzog, riskierte für einen Wechsel in die Regierung sogar die Spaltung der Awoda, der traditionsreichen, aber mittlerweile zersplitterten Arbeitspartei. Führende Politiker und interne Rivalen haben ihm für den Fall einer Koalition mit Netanjahu die Gefolgschaft aufgekündigt. Ex-Außenministerin Tzipi Livni, Herzogs Partnerin im Bündnis Zionistische Union, lehnte eine Regierungsbeteiligung kategorisch ab.

„Bibi“ Netanjahu hatte für Herzog ein Jahr lang das Amt des Außenministers reserviert und derweil in einer Doppelrolle selbst die Agenden im Außenministerium sowie im Wirtschafts- und Kommunikationsministerium geführt. Herzog kokettierte lang damit, in die Regierung zu wechseln, um den Stillstand in den Verhandlungen mit den Palästinensern zu überwinden – unter der Bedingung, als Chefverhandler zu agieren. Als Herzog das Machtspiel des gewieften Taktikers Netanjahu durchschaute, war es schon zu spät. Netanjahu hatte ihn mit seinem Doppelkoalitionsspiel ausgetrickst. Ernüchtert beendete Herzog die Koalitionsspekulationen – und besiegelte so wahrscheinlich auch sein Ende als Chef der Arbeitspartei.

Totgeburt einer neuen Nahost-Initiative

Für die Wiederbelebung des Nahost-Friedensprozesses durch Frankreich verheißt der neuerliche Rechtsruck in Israel nichts Gutes. Netanjahu hat gegenüber Jean-Marc Ayrault, dem französischen Außenminister, neulich sehr deutlich seinen Widerstand gegen die Pariser Nahost-Initiative kundgetan. Die Idee des Ex-Außenministers, Laurent Fabius, verkommt so schon vor der ersten Sitzung zu einer Totgeburt. Für den 3. Juni bittet Ayrault die Player des sogenannten Nahost-Quartetts, die USA, Russland, die EU und UNO, dazu Großbritannien, Deutschland und eine Reihe von arabischen Staaten zu Vorgesprächen in die französische Hauptstadt.

Ayrault überzeugte letztlich auch US-Außenminister John Kerry von der Teilnahme, der sich mit seinem eigenen Nahost-Vorstoß vor zwei Jahren eine blutige Nase geholt hatte. Damals spottete übrigens auch Yaalon über den US-Diplomaten. In einer zweiten Etappe sollen die Konfliktparteien hinzukommen. Die Palästinenser und der ägyptische Präsident, Abdel-Fatah al-Sisi, signalisierten zuletzt noch Optimismus.

Mit dem Hardliner Lieberman ist die Ausgangsposition indessen noch schwieriger geworden. Als Außenminister hat er mit martialischen Wortmeldungen von sich reden gemacht. Einmal hat er mit der Sprengung des Assuan-Damms in Ägypten gedroht, einmal mit der Auslöschung der Hamas in Gaza. Er forderte die Todesstrafe für palästinensische Attentäter und den Sturz des Palästinenserpräsidenten Mahmoud Abbas. Aus dem Außenministerium in Kairo verlautete als erste Reaktion auf das Revirement in Jerusalem: „Wir sind schockiert, wirklich schockiert.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2016)

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