Drogen-Hotspots in Wien: "Es bleibt ein Katz-und-Maus-Spiel"

 Die Polizei kontrolliert einen Schwarzafrikaner vor dem Eingang zur U6-Station Josefstädter Straße in Wien.
Die Polizei kontrolliert einen Schwarzafrikaner vor dem Eingang zur U6-Station Josefstädter Straße in Wien.(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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An den Drogen-Hotspots fehlt von Dealern derzeit so gut wie jede Spur – aufgrund der vielen Polizisten vor Ort. Dafür werden alte Umschlagplätze neu belebt.

Wien. Schlussendlich war es, ob gewollt oder ungewollt, eine Show. Journalisten, die auf im Schatten stehende Polizisten starrten, Polizisten, die argwöhnisch Kameras, Mikrofone und Schreibblocks beobachteten. Die Chefs der Einheiten, die Interviews gaben – und kein einziger Dealer, der zu sehen war.

Aber der Reihe nach. Die Wiener Polizei hatte eingeladen, sie bei der Drogenarbeit zu begleiten. Die Probleme an den Hotspots (U6, Praterstern, Handelskai) sind seit Monaten bekannt – nun wurde das Suchtmittelgesetz mit 1. Juni geändert. Nicht nur die Bevölkerung war an den Ergebnissen interessiert. Die Polizei lud deswegen am Montag Medien („Die Presse“ zählte mehr als 24 Journalisten und Fotografen) zu einem Lokalaugenschein bei den Problemzonen ein. Was dort zu sehen war – oder eben nicht –, ist symptomatisch für die Drogenszene, die derzeit zerschlagen wird – und sich anderorts neu findet.

13 Uhr vor der U-Bahn-Station Josefstädter Straße. Ein Polizist schreit einen schwarzen Asylwerber an, der sich ärgert, weil er und sein Freund (beide wollten eben ihr Eis aufessen) kontrolliert werden. Bis zu 500 Personenkontrollen führt die Bereitschaftseinheit von Kommandant Manfred Ihle derzeit am Tag durch. Besonders betroffen sind dabei Schwarzafrikaner. „Wir kontrollieren nach Verhalten, weil wir die Personen kennen oder weil sie einer Tätergruppe angehören“, erklärt er. Dass ihm die Betroffenen Rassismus vorwerfen, wundert ihn nicht. Statistisch gesehen gebe es aber nun einmal viele Dealer, die schwarz sind. „Wen hätten Sie lieber, dass wir kontrollieren? Die Mutter mit vier Kindern oder einen Schwarzen?“

Bei den beiden eisessenden Asylwerbern wird nichts gefunden, sie dürfen gehen. Ein ähnlicher Fall spielt sich kurz darauf nahe dem Brunnenmarkt ab. Ein Nigerianer wird in einer Seitenstraße kontrolliert. Denn von den vielen Schwarzafrikanern, die wochenlang ihr Gras vor der U6 anboten, fehlt seit den verstärkten Kontrollen der Polizei schon längst jede Spur. Was nicht heißt, dass sie verschwunden sind. Sie haben sich nur verlagert. Rein in die Bezirke, verstärkt in die Seitengassen. „Die Dealer sind im Moment sehr paranoid. Sie warten ab“, sagt Wolfgang Preiszler, Leiter der Einsatzgruppe Straßenkriminalität und in Zivil unterwegs. Seine Einheit soll die Dealer auf frischer Tat ertappen. An der U6 und am Praterstern sind seine Leute daher schon längst nicht mehr. „Solange die Uniformierten dort sind, hat es für uns wenig Sinn“, erklärt sein Kollege. „Die Hotspots verlagern sich dorthin zurück, wo sie früher waren“, fügt er hinzu. Er nennt S-Bahn-Stationen, den Schottenring, eventuell auch Floridsdorf. „Es wird immer ein Katz-und-Maus-Spiel sein“, sagt Preiszler. Wie sich das geänderte Gesetz langfristig auswirkt, wird sich erst zeigen, wenn die Dealer sich wieder „normal“ verhalten.

48 Menschen in U-Haft

Die Polizei plant, den Schwerpunkt bis Ende Juni aufrechtzuerhalten, dann werden weitere Maßnahmen gesetzt. Die 200 Betten, die im Gefängnis Wien-Josefstadt freigemacht wurden, sind jedenfalls noch nicht belegt. Von 1. bis 5. Juni wurden 56 Menschen wegen Drogenhandels festgenommen. 48 kamen in U-Haft. 42 der 56 waren Asylwerber. Am Praterstern ist eine Bäckerin, ob der Horde an Polizisten und Journalisten, glücklich. „Das ist das erste Mal, dass gar kein Dealer da ist“, sagt sie. Und schlägt vor, öfter vorbeizukommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2016)

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