Knut Hamsun: "Old King Knut" steht immer wieder auf

Knut Hamsun
Knut Hamsun(c) AP ()
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Norwegen feiert den 150. Geburtstag des Nobelpreisträgers mit einem 23 Meter hohen Museumsturm. Hamsuns Hitler-Begeisterung empört dennoch viele.


WIEN. „Er war ein Krieger für die Menschheit und ein Verkünder des Evangeliums vom Recht aller Nationen. Er war eine reformatorische Gestalt von höchstem Rang. So wird der gewöhnliche Westeuropäer Adolf Hitler sehen, und wir, seine treuen Anhänger, neigen nun unser Haupt angesichts seines Todes.“ Dies schrieb der norwegische Nobelpreisträger Knut Hamsun am 7. Mai 1945 in der norwegischen Zeitung „Aftenposten“. Als er zwei Jahre später als Kollaborateur vorm Richter stand, beharrte der 88-Jährige trotzig: „Ich habe die Zeit auf meiner Seite. Ich kann warten.“


Bedauerlicher Ausrutscher eines Greises? Der Milderungsgrund sticht nicht. Zu energisch und nachhaltig hat sich Hamsun für die Nationalsozialisten erwärmt. „Salut für einen Halunken“, schrieb die „Neue Züricher Zeitung“ anlässlich der Feiern zum 150. Geburtstag des Wegbereiters der Moderne im heurigen August. Dass Hamsun ein großer Dichter war, ist, trotz seines Lobes für die Nazis, immerhin unumstritten geblieben. Für Romane wie „Hunger“ oder „Segen der Erde“ erhielt er 1920 den Nobelpreis. Warum? Auch wenn die Bücher in ihrer dampfenden Dramatik nicht jeden ansprechen, seinerzeit machten sie Furore eben wegen der Eloquenz, der Wut, der Authentizität und Plastizität, mit der das Elend der armen Leute Gestalt gewann.

Das Elend der Armen


Mit dem Helden Raskolnikow aus Dostojewskis „Schuld und Sühne“ (neuerdings „Verbrechen und Strafe“ genannt; heuer bei den Salzburger Festspielen zu sehen) wurde der Protagonist von „Hunger“ verglichen. Dostojewskis Roman erschien 1866, „Hunger“ 1890. Die Dichter wandten sich den damaligen „Modernisierungsverlierern“ zu. Hamsun wusste nur zu genau, wovon er schrieb.
Das vierte von sieben Kindern eines Schneiders wuchs in armen Verhältnissen auf, doch glücklich, wie er später betonte. Ein sadistischer Onkel quälte ihn. Als Hafenarbeiter, fahrender Händler, Gemeindeschreiber brachte er sich durch. Von der Reise ins gelobte Land Amerika kehrte er schwer krank zurück und wäre beinahe gestorben. Neo-Romantiker, Zivilisationskritiker, stark sozial engagiert, das sind Beschreibungen für Hamsun. Wie konnte er zum Nazisympathisanten werden? Gefiel ihm das „Nordische“ an der Herrenrasse-Ideologie, schlägt das Erbe der wüsten Wikinger durch?

Fans von Proust bis Auster


Hamsun bewunderte Deutschland. Er war ein Gegner des Kommunismus und des britischen Imperialismus, Letzteres wegen des brutalen Vorgehens der Briten im Burenkrieg. Hamsuns unfassbare Kundgebungen für die Nazis, lange nach deren vollständiger Niederlage, wurden von Kollegen unterschiedlich kommentiert. Für viele Literaten war „Old King Knut“ (Joyce) ein Übervater, von Proust bis Henry Miller. Auch Albert Einstein und Paul Auster schätzten ihn. Der Philosoph George Steiner nannte Hamsun „die einzige unzweifelhafte große Figur“ unter den skandinavischen Nobelpreisträgern. Auch in Norwegen hat man offenbar genug von der jahrzehntelangen Hamsun-Verdammung. Dieser Tage eröffnete Kronprinzessin Mette-Maritt in Hamarøy, nördlich des Polarkreises, ein Knut-Hamsun-Zentrum. US-Architekt Steven Holl hat es gebaut. Seit 1994 wird über das Projekt diskutiert, wegen Hamsuns Nazivergangenheit. 23,5 Mio. Euro hat es gekostet. „Verschwendung!“, befand ausgerechnet ein rechts gerichteter Regionalpolitiker, während die Linken für einen Hamsun-Platz in Oslo kämpfen.

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