Kunst und Politik, eine Dauerkollision

Die Öffentlichkeit reagiert oft empört auf das Verhalten von Künstlern. Die Kunst neigt zu Maßlosigkeit.


Wien. Peter Handke warb immer wieder um Sympathie für Serbien. Schließlich nahm er gar am Begräbnis Miloševićs teil. Selbsthass eines Kärntner Slowenen? Wurde spekuliert. Auf jeden Fall: eine Sauerei, lautete das Urteil angesichts serbischer Kriegsverbrechen. Gerechtigkeitssinn, sagen Handke-Kenner, „Gerechtigkeit für Serbien“ heißt auch sein Buch.


Künstler sind, wie alle anderen auch, Menschen, als solche nehmen sie spontan politisch Partei und sorgen des Öfteren für reichlich Wut und Zorn. Dabei werden Sympathisanten für Rechte oder gar für Nazis strenger beurteilt als Linke. Über die kommunistische Vergangenheit von Peter Turrini oder Elfriede Jelinek wird weniger hart geurteilt als eben z. B. über jene von Knut Hamsun. Die Freiheit der Kunst und der freien Rede wurde schwer erkämpft. Da dürfen Prominente ruhig mal überziehen wie Marlene Streeruwitz, die die Salzburger Festspiele in eine faschistoide Richtung driften sah. Da wurde selbst der Alt-68er-Intendant Jürgen Flimm grantig. Mit dem Totschlagargument, dass alle Österreicher Nazis sind, sorgte schon Thomas Bernhard im „Heldenplatz“ für Aufregung. Ein paar Jahre darauf wurde über das Stück gelacht. Die Bewertung von Kunstwerken kann sich schnell ändern.


Die unübersehbaren Textflächen der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek wurden lange nicht verstanden, ihre politischen Attacken gegen Österreich abgelehnt. Heute gibt es allseits Heiterkeit, wenn in „Die Kontrakte des Kaufmanns“ stundenlang die dummen Anleger und der Kapitalismus durch den Kakao gezogen werden. Beklemmung macht sich breit bei „Rechnitz“, ebenfalls ein Jelinek-Stück über das Massaker an Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen zu Kriegsende in Rechnitz.


Das Dritte Reich, das im Kino seit Jahrzehnten verjuxt wird, ist in der Hochkultur immer noch ein heikles Thema. Wer sich aufregt, sollte sich auch fragen, warum er das tut: Soll man die Werke von Künstlern meiden, die einem auf die Zehen getreten sind? Diese Debatte hört sich spätestens bei Richard Wagner oder Franz Schmidt auf. In Israel wird Wagner bis heute wegen seines Antisemitismus abgelehnt. Dennoch bleibt er einer der größten Musiker aller Zeiten. Politik und Kunst, die Reibereien zwischen diesen beiden mögen eine Frage des persönlichen Standpunktes sein. Bei jemandem wie dem Aktionisten Otto Mühl, der wegen Kindesmissbrauchs jahrelang in Haft war, hört sich für viele die Toleranz auf. Dennoch findet man in der Geschichte der Kunst genügend Menschen mit kriminellen Neigungen, was an ihrem Genie nichts ändert. Das Maßlose, Grenzüberschreitende, ja auch das Pathologische liegt in der Natur des Künstlers. Die Provokation von gestern wird später oft als Avantgarde erkannt. Schillers „Räuber“ lösten einst Tumulte aus. Heute sind sie ein Klassiker.

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