Formel 1: Das Donnern der Abfangjäger

Torger „Toto“ Wolff.
Torger „Toto“ Wolff.(c) APA/EXPA/DOMINIK ANGERER
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Vor dem Österreich-GP sucht Mercedes-Sportchef Toto Wolff nach Antworten für den Zuschauerschwund und Erklärungen für die Überlegenheit der Silberpfeile. Selbst der neue Asphalt, „glatt wie ein Babypopo“, helfe seinen Piloten.

Spielberg. Bei der Formel 1 erlebt man ja doch noch etwas. Es ist sogar richtig laut in Spielberg, dieser dröhnende Sound ist nicht zu überhören. Es waren jedoch keine Rennwagen, deren Turbomotor sich Gehör auf der Zielgeraden verschaffte, sondern zwei Abfangjäger, die mit Überflug und Kunststücken faszinierten. Diese seltene, durch Milliarden der Steuerzahler finanzierte Flugshow, imponierte durchaus. Doch sobald man den Ring, sein Areal, betreten hatte, begleitete den Besucher auch Respekt. RB-Macher Dietrich Mateschitz bezahlte schließlich Renovierung, Ausbau und Umbau, er bewirtschaftet dieses Projekt und begleicht den jährlichen Mitgliedsbeitrag in Bernie Ecclestones PS-Serie, kolportiert werden 20 Millionen Euro, aus der eigenen Tasche. Das ist offenkundig der Unterschied zwischen Liebhaberei, Hobby – und Geldverschwendung.

Die Formel 1 ist 2014 triumphal nach Österreich zurückgekehrt, doch nach dem ersten Triumph vor 200.000 Zuschauern ringt das PS-Event um deren Gunst. Schenkt man Insidern Glauben, soll nur die Hälfte der Vorjahreskarten verkauft worden sein. Am Rennsonntag, Start 14 Uhr, sollen, immerhin, 40.000 Fans auf den Tribünen sitzen.

Acht Rennen, sieben Mercedes-Siege

„Warum ist das so?“, fragt Mercedes-Sportchef Toto Wolff, der zu einem Wiener Frühstück ins Motorhome geladen hat. Der Wiener sucht Erklärungen für den globalen Downforce, Fachjargon für Abtrieb, an Rennstrecken. Dabei liegen die Antworten auf der Hand: zu teure Tickets (Zielgerade: 400 Euro), fehlende Überholmanöver, Spannung, logische Sieger „und kein Sound“, schluchzte Wolff, der jedoch an der mageren Tonalität nicht unschuldig ist mit der Instrumentalisierung der Hybridkultur in der Formel 1.

Während Motorrad-WM (MotoGP-Debüt am 14. August in Spielberg, 210.000 Karten verkauft) oder die 24 Stunden von Le Mans Massen begeistern, bleiben Plätze bei der Formel 1 leer. „Vielleicht ist unsere Liga zu sehr ein TV-Sport, es gibt Quoten von 70 Millionen Zusehern weltweit. Diese Zahlen sind mit Motorrad-WM und Tourenwagen nie und nimmer zu erreichen.“ Damit erklärt sich der Fortbestand, TV und Werbung bringen Milliarden, Merchandising ebenso. Dabei wäre ein Stimmungswechsel leicht zu generieren: mehr Showprogramm rundherum, billigere Tickets, dicker Auspuff, breite Reifen und laute Motoren. Ganz simpel . . .

Nach acht Rennen – von denen Mercedes sieben gewonnen hat dank WM-Leader Nico Rosberg (fünf Siege) und Verfolger Lewis Hamilton (zwei) –, läuft auch in dieser WM-Saison alles darauf hinaus, dass im Stallduell der Silberpfeile die Entscheidung um den Gewinn der Fahrer-WM fällt. Nach zwei Triumphen in Serie durch den Briten Hamilton, 31, scheinen die Weichen nun für den Deutschen Rosberg, 30, gestellt zu sein. Sein neuer Vertrag, ausverhandelt auf Bitten von Vater Keke durch den Tiroler Gerhard Berger, soll unterschriftsreif vorliegen, erklärt Wolff. Details fehlten, mit Informationen über den Hergang der Einigung geizte er jedoch nicht: „Drei Österreicher verhandelten in einem Raum einen Vertrag, den ohnehin jeder wollte. Es ging nur um Kondition und Laufzeit.“ Es soll ein Zweijahresvertrag sein, jährlich dotiert mit kolportierten 27,5 Mio. €.

Auer, Habsburg und Preining

Rosberg sei eine Konstante, gereift im Lauf des vergangenen Jahrzehnts. 2006 stieg der Wiesbadener bei Williams ein, nun fährt er für Mercedes und hat die Chance, am Sonntag den Spielberg-Hattrick zu fixieren. Auf neuem Asphalt, wie Wolff einwirft, der „so glatt wie ein Babypopo“ sei. Normalerweise werfe ein solches Novum vieles in einem so starren System wie der Formel 1 schnell über den Haufen, in seiner Mannschaft sei man jedoch gewappnet, beteuert Wolff. Man habe getestet, die Ergebnisse der DTM-Tourenwagen hätten wichtige Aufschlüsse geliefert.

Technik, Pneu und Set-up sind vorgegeben, dass Heimrennen aber vor allem durch Lokalmatadore populär werden, weiß auch Wolff. Die Chance, dass in Bälde wieder ein Österreicher in der Formel 1 fährt, tendiert jedoch gegen null. Lucas Auer habe sich mit dem Sieg in der DTM des Schattens seines Onkels, Gerhard Berger, entledigt. Doch ihm fehle noch „etwas“ wie Ferdinand Zvonimir Habsburg-Lothringen. Der Adelige habe Talent und Förderer, brauche aber noch Zeit wie Thomas Preining in der Formel 4. Damit lebt ein Mythos weiter. Niki Lauda bleibt der einzige Österreicher, der (1984) sein Heimrennen gewinnen konnte.

AUF EINEN BLICK

Torger „Toto“ Wolff lud vor dem GP von Spielberg zu einem Frühstück ins Motorhome. Der Mercedes-Sportchef analysierte die Lage der Formel 1 („Braucht mehr Entertainment, vor allem Motorensound“), einen österreichischen F1-Piloten sieht er aber in naher Zukunft nicht.
Am Sonntag, Rennstart 14 Uhr, werden in Spielberg (nur) 40.000 Zuschauer erwartet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2016)

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