Bundesheer: NS-Zeit bleibt blinder Fleck

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Widerstandskämpfer in der Wehrmacht wurden im Bundesheer erst spät geehrt. Verteidigungsminister Norbert Darabos will in Zukunft mehr für die Aufarbeitung der eigenen Geschichte tun.

WIEN. Offiziell war die Sache klar: Das österreichische Bundesheer ist nicht der Nachfolger, sondern das Gegenteil der deutschen Wehrmacht. In der mussten zwar tausende Österreich dienen, die sich zu einem sehr kleinen Teil später auch beim Heer des neutralen kleinen Österreichs meldeten, aber vom Selbstverständnis orientierten sich die Raumverteidiger lieber an der guten alten k.u.k. Armee. Das bedeutet aber auch, dass die militärische Komponente der NS-Zeit innerhalb des Bundesheeres zu den blinden Flecken gehört. Dennoch wurden Kameradschaftstreffen stillschweigend unterstützt.

Dass Österreicher auch in höchsten Funktionen der Wehrmacht waren, wurde ebenso ignoriert wie die Tatsache, dass im militärischen Widerstand gegen das NS-Regime ebenfalls Österreicher waren. So gebe es in Deutschland zwar „natürlich“ eine Kaserne, die nach dem Hitler-Attentäter Claus von Stauffenberg benannt wird, eine Einrichtung mit dem Namen des österreichischen Verschwörers Robert Bernardis findet man bei uns hingegen nicht, wie etwa der ehemalige Berufsoffizier und ORF-Chefredakteur Gerhard Vogl moniert: Im Heer habe ein breiter Konsens geherrscht, „die leidige Vergangenheit ruhen zu lassen“.

Verteidigungsminister Norbert Darabos sieht das zwar anders, will aber auf jeden Fall mehr für die Aufarbeitung der eigenen Geschichte tun, wie er sagt. „Für ein Heer, das den Humanismus schützt, ist es unabdingbar, seine eigene Geschichte lückenlos aufzuarbeiten. Hier ist schon viel passiert, es liegt aber auch noch einige Arbeit vor uns. Diesen Weg werde ich konsequent fortsetzen“, meint Darabos. Dazu gehöre auch, mit gewissen Traditionen zu brechen: Auf Weisung des Ministers wird es etwa keine Teilnahme des Heeres am Kärntner Ulrichsbergtreffen geben.

Bundesheer unterstützt Ausstellung über NS-Opfer

Aktuell unterstützt das Bundesheer „auf ausdrücklichen Wunsch des Ministers“ die Ausstellung über die Opfer der NS-Militärjustiz finanziell. Darabos übernimmt für die Ausstellung den Ehrenschutz, Grundwehrdiener sollen die Ausstellung im Rahmen wehrpolitischer Bildung besuchen.

Und: Am Grund der Belgier-Kaserne in Graz (ehemalige SS-Kaserne Wetzelsdorf) sollen NS-Opfer liegen, die von der SS nach ihrer Ermordung in Bombentrichter geworfen und zugeschüttet wurden. Darabos hat den Auftrag gegeben, diesen Sachverhalt einer militärhistorischen Prüfung zu unterziehen. Wie zu erfahren ist, haben sich die Hinweise dazu mittlerweile bestätigt, die Untersuchung ist aber noch nicht abgeschlossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2009)

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