Das ÖOC bleibt nach der Rücktrittsankündigung von Leo Wallner in den Händen von Casinos und Lotterien. Karl Stoss ist ein Kandidat, den alle Parteien begrüßen. Die Wachablöse soll Ende Oktober erfolgen.
WIEN. Karl Stoss weilte am Freitag geschäftlich im Ausland. Vermutlich trifft sich dieser Zufall gut. Womöglich war es gar kein Zufall. Fest steht: Als kurz vor elf Uhr der Rücktritt von ÖOC-Präsident Leo Wallner bekannt gegeben wurde, war Stoss für niemanden erreichbar.
Der 52-jährige Vorarlberger steht seit Wochen als Nachfolger für Wallner im Raum. Kaum ein Sportfunktionär, dem nicht der Name Stoss über die Lippen kommt, wenn er nach einem Tipp für den künftigen Chef im Österreichischen Olympischen Comité gefragt wird. Und vor allem: kaum ein Wort, das gegen den Kandidaten Stoss spricht. In Zeiten der Turbulenzen und des Schmutzwäschewaschens im ÖOC ein noch gewichtigeres Argument für Stoss.
Lobbyist Roth attackiert Wallner
Der Nachfolger stand also seit Wochen fest. In den vergangenen Tagen ging es nur darum, den Vorgänger davon zu überzeugen, dass es Zeit ist zu gehen. Bereits am vergangenen Montag, vor der spektakulären ÖOC-Vorstandssitzung, sei Wallner von Freunden bekniet worden, seinen Rücktritt bekannt zu geben. Allein: Der 73-Jährige blieb im Ring. Schwer angeschlagen präsentierte er sich Montagabend den Medien. Er sei von seinem früheren Generalsekretär hintergangen worden. Er habe von vielen Dingen nichts gewusst. All seine Beteuerungen machten die Situation nur noch schlimmer.
Denn nun wurde auch Wallner vom Olympia-Lobbyisten Erwin Roth beschuldigt. Wallner könne nicht behaupten, dass Gelder für Salzburgs Olympia-Bewerbung hinter seinem Rücken geflossen seien. Wallner sei über alles informiert gewesen, sagt Roth.
Tagelang wurde Wallner offenbar gebeten, endlich den Befreiungsschlag zu wagen. Auch um seiner selbst willen. 19 Jahre an der Spitze des ÖOC, in denen 105 olympische Medaillen gewonnen wurden – eine stolze Bilanz. Dass ausgerechnet die Winterspiele in Turin die erfolgreichsten in der heimischen Olympia-Geschichte und somit in der Ära Wallner wurden, ist eine Ironie des Schicksals. Denn die 23 Medaillen wurden von einem Dopingskandal bei den österreichischen Langläufern und Biathleten überschattet.
„Bei Bekanntwerden der ersten Verdachtsmomente habe ich unverzüglich alle Schritte für eine lückenlose Aufklärung eingeleitet. Sämtliche Vorgänge wurden umgehend durch eine externe Wirtschaftsprüfung und eine innere Revision im Detail untersucht.“ In seiner schriftlichen Stellungnahme weist Wallner am Freitag neuerlich alle Vorwürfe zurück. Für die nächste Vorstandssitzung des ÖOC am 23. September kündigt er eine Strukturreform an und erklärt: „Das ist auch der Termin, an dem ich dem Gremium, das mich gewählt hat, meinen Rückzug als ÖOC-Präsident bekannt geben werde.“
Sein Nachfolger wird wohl am 22. Oktober gekürt werden. An diesem Tag soll die außerordentliche Generalversammlung stattfinden. Wenn dies tatsächlich der Beginn eines „Erneuerungsprozesses“ sein soll, wird an diesem Tag nicht nur Leo Wallner das ÖOC verlassen müssen.
Wallner hinterlässt seinem Nachfolger, wie es so schön heißt, „ein schweres Erbe“. Auch dafür wäre Stoss prädestiniert. Schon als
Casinos-Chef hatte er ein solches von Wallner übernommen....
AUF EINEN BLICK
■Casinos-Generaldirektor Karl Stoss (1956 in Dornbirn) gilt als potenzieller Nachfolger von Leo Wallner als ÖOC-Präsident. Der promovierte Betriebswirt kam 1996 zur Postsparkasse nach Wien, wurde 2001 Vorstandsdirektor der Raiffeisen Zentralbank, wechselte 2004 an die Spitze der Generali und 2007 zu den Casinos.
[APA]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2009)