Kurdendemo: Ein Polizist für zwei Demonstranten

Demonstration kurdischer Vereine in Wien
Demonstration kurdischer Vereine in WienAPA/EXPA/ MICHAEL GRUBER
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300 Beamte sicherten am Samstag den Demonstrationszug von 600 Kurden durch die Wiener Innenstadt. Es gab zunächst keine Zwischenfälle.

500 kurdische Demonstranten waren erwartet worden, nach Polizeiangaben waren es am frühen Samstagabend vor dem Parlament dann 600. Sie wurden überwacht von 300 Polizisten. Die Anhänger kurdischer Vereine waren um 16 Uhr vom Schwarzenbergplatz gestartet und auf der Ringstraße zum Parlament marschiert.

Kurden gegen Türken – dass diese beiden Gruppen gelegentlich aneinandergeraten, ist nicht neu. Doch zuletzt hat eine solche Begegnung an Brisanz gewonnen. In der Türkei dadurch, dass die Regierung den ohnehin schon abgeflauten Dialog mit den Kurden vollends auf Eis legte und die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK wieder vermehrt Anschläge verübte. Und in Europa in Form von Zusammenstößen.

So war es vergangene Woche am Wiener Stephansplatz bei einer Kurdendemo zu Zusammenstößen mit Türken gekommen. Die Rede ist von rund zehn Personen, die die Demo störten und die Teilnehmer provozierten. Kurdische Demonstrationsteilnehmer und türkische Gegendemonstranten griffen einander erst verbal an, später auch mit Pfefferspray. Bei den Reibereien wurde auch ein Polizist durch den Spray verletzt. Und als dann eine Person „Allahu Akbar“ rief, lag kurz sogar die Angst vor einem Terroranschlag in der Luft. Ein Video im Netz zeigt Menschen, die schreiend davonlaufen. Einige Tische des Aida-Gastgartens wurden umgestoßen, Essen und Getränke fielen zu Boden.

Auch vor und im ORF-Zentrum am Küniglberg gab es Probleme: Einige Kurden wurden von der Polizei des Ortes verwiesen.

Angestachelt durch Schlagzeilen in Boulevardmedien, die gar von einem „Türken-Krieg“ berichteten, stieg die Nervosität. Und auch, wenn die Polizei diese Darstellung als „weit entfernt“ von der Realität bezeichnet, wappnet man sich dennoch für weitere derartige Vorfälle. Für heute, Samstag, 16 Uhr, ist eine weitere Demo angesetzt, bei der ungefähr 500 Kurden vom Schwarzenbergplatz über den Kärntner Ring bis zum Parlament ziehen wollen. Dort soll auch die Schlusskundgebung stattfinden. Vor allem die massiven, durch das türkische Militär ausgeführten, Angriffe auf Dörfer in Ostanatolien, wo PKK-Terroristen vermutet werden, ist der Grund für die Kundgebung.

„Isolation von Öcalan“

Die Polizei habe zwar keine Hinweise, dass am Samstag ähnliche Szenarien wie vor einer Woche zu befürchten seien, hieß es am Freitag, die Begleitung der „Demonstration gegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und die Isolation von Abdullah Öcalan“ werde aber massiv sein, hieß es seitens der Exekutive. Wie ein Polizeisprecher der „Presse“ erklärte, sollen 300 Beamte darüber wachen, dass der Demonstrationszug nicht erneut „von außen“ gestört wird.

Dass die Kurden auf die Straße gehen, ist indes keine Seltenheit. Wöchentlich gibt es Demos, hinter denen Feykom, der Verband der Kurdischen Vereine in Österreich, steht. Die der PKK nahestehende Organisation demonstriert regelmäßig, unter anderem für die Freilassung des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan. „Im Normalfall sind das ziemlich kleine und fade Demos“, sagt Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger. Da sei nur der harte Kern unterwegs. „Aber wenn der Konflikt gerade besonders groß ist, können es sehr viel mehr werden.“

Dass es dort mit Gewalt zugehe, so Schmidinger, sei von den Organisatoren keinesfalls gewollt. Doch seien Provokationen rechtsextremer türkischer Organisationen, etwa der Grauen Wölfe, oder „übereifriger AKP-Anhänger“ nie ganz auszuschließen. Und dann könnte es sein, dass es eskaliert. „Das sind dann junge, zornige Männer, die zeigen müssen, wie männlich sie sind.“ Hier sei es jedenfalls Aufgabe der Polizei, dafür zu sorgen, dass die Konfliktparteien nicht aufeinandertreffen.

In Deutschland versucht man, derartige Konflikte von vornherein nicht eskalieren zu lassen. So wurde das für 3. September geplante 24. Internationale Kurdische Kulturfestival, bei dem bis zu 30.000 Kurden im Kölner Rhein-Energie-Stadion erwartet wurden, abgesagt. Aus Sicherheitsgründen, wie es heißt. Weil bei derartigen Veranstaltungen davon auszugehen sei, dass Werbung für die PKK betrieben werde. Und solche Aktionen auch außerhalb des Stadions von türkischen Nationalisten wahrgenommen würden. Und bei einem Aufeinandertreffen der beiden verfeindeten Lager, so Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies, seien gewalttätige Aktionen zu erwarten.

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