Ausgerechnet auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig im Waldviertel wurden Wölfe geboren. Nachwuchs in freier Wildbahn gab es in Österreich seit mehr als hundert Jahren nicht.
Allentsteig. 1882 wurde der Wolf in Österreich ausgerottet. Die letzten Exemplare hatten im steirischen Wechselgebiet gelebt. Zuletzt gab es vereinzelt einwandernde oder durchziehende Wölfe. Doch nun – nach weit mehr als hundert Jahren – wurde wieder Wolfsnachwuchs auf österreichischem Boden mittels Fotofallen nachgewiesen.
Die Sache mutet kurios an: Es ist nicht etwa, wie man meinen könnte, ein besonders abgelegenes und ruhiges Plätzchen, das sich die Wolfsfamilie ausgesucht hat. Vielmehr handelt es sich um den Truppenübungsplatz des Bundesheeres, Allentsteig in Niederösterreich.
„Bisher sind die Wölfe nur durch Österreich durchgezogen oder aus anderen Gründen wieder verschwunden. Wir wissen zwar, dass sowohl Männchen als auch Weibchen darunter waren, aber es gab keine Hinweise auf Nachwuchs“, erklärte am Donnerstag Christian Pichler von der Naturschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF). Dementsprechend groß war die Freude beim WWF, dass auf den neuesten Fotos Jungtiere zu sehen sind.
„Es handelt sich um die ersten Wölfe, die in Österreich seit ihrer Ausrottung vor mehr als hundert Jahren in freier Wildbahn geboren wurden“, bestätigt laut WWF auch Ottokar Jindrich vom Umweltschutzreferat des Verteidigungsministeriums. Und: Das Bundesheer wende seit mehr als 20 Jahren ein Naturraummanagement für den Truppenübungsplatz an. „Damit wurde es möglich, dass sich im Synergieprozess zwischen militärischer Aufgabenerfüllung und den Bedürfnissen des Naturschutzes ein wertvolles ökologisches Refugium bilden konnte, das zahlreichen gefährdeten Arten Schutz und Rückzug bietet. Die jungen Wölfe stehen also gewissermaßen unter militärischem Schutz“, wird Jindrich zitiert.
Noch ist nicht klar, wie viele Mitglieder der Wolfsfamilie im Natura-2000-Gebiet des Truppenübungsplatzes eine Heimat gefunden haben. Bis jetzt sind vier Wölfe nachgewiesen worden. Der Übungsplatz ist fast 16.000 Hektar groß, 80 Prozent der Fläche sind Natura-2000-Gebiet.
Regelmäßige Schießübungen
Man könnte nun meinen, der Truppenübungsplatz liege vielleicht in einer Art Dornröschenschlaf, sodass es kaum Störungen für Tiere gebe. Dem ist aber keineswegs so. Wie Oberst Johann Zach, der Sprecher von Allentsteig, der „Presse“ bestätigte, wird ebendort an durchschnittlich 200 Tagen im Jahr scharf geschossen. Selbstverständlich nicht überall gleichzeitig. Man habe beobachtet, dass Tiere (etwa Rehe) bei Lärm zwar das Weite suchen, ihr Revier aber keineswegs aufgeben.
Seit 2009 werden laut WWF in Österreich jährlich zwei bis sieben Wölfe nachgewiesen. Im Vorjahr wurden hierzulande vier Tiere bestätigt, nämlich in Niederösterreich, Salzburg, Vorarlberg, Tirol und der Steiermark. Die Wölfe waren aus Italien, der Schweiz, Slowenien und der Slowakei eingewandert. Inzwischen haben sie auch schon für Debatten über den richtigen Umgang mit ihnen gesorgt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2016)