Die Regierung ist entsetzt über die Gewalteskalation zwischen Flüchtlingen und Neonazis in Bautzen. Rechte wollen weiter protestieren.
Bautzen. Die Stadt Bautzen im deutschen Bundesland Sachsen ist schon einmal durch Fremdenfeindlichkeit aufgefallen. Im Februar brannte dort ein Haus ab, wo Flüchtlinge untergebracht werden sollten. Brandstiftung. Schaulustige sollen gejubelt und die Feuerwehr beim Löschen behindert haben. Nun ist Bautzen wieder prominent in den Schlagzeilen. Diesmal, weil sich junge Asylwerber auf dem zentralen Platz der Stadt, dem Kornmarkt, mit Neonazis geprügelt haben.
Die Polizei sagt, die minderjährigen Flüchtlinge hätten angefangen, Flaschen und Steine geworfen. Es gibt aber auch Augenzeugen, die schwören, die rechten Jugendlichen hätten die Flüchtlinge provoziert. Das war am Mittwochabend. Doch die rechten Gruppen wollen sich weiter versammeln, demonstrieren. Auch am Wochenende. Jederzeit kann die Lage eskalieren. Die Polizei hat Dutzende Einsatzkräfte im Zentrum postiert.
Fast hätte es auch in der Nacht auf Freitag Zusammenstöße gegeben. 350 Stadtbewohner waren versammelt, darunter viele Rechtsextreme. Sie standen zwei Dutzend linken Gegendemonstranten gegenüber. Es flogen Flaschen. 90 Beamte waren im Einsatz, um die Gruppen auseinanderzuhalten.
Die Regierung in Berlin ist entsetzt über die Vorkommnisse. „Das ist unseres Landes nicht würdig“, sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer. In Deutschland sei kein Platz für derartige Gewalt, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz, Extremismus. Und: „Ohne jetzt auf den konkreten Fall einzugehen, müssen wir natürlich dafür sorgen, dass die Gesetze sowohl von Flüchtlingen als auch von einheimischen Bürgern eingehalten werden.“
Nach den Ausschreitungen vom Mittwochabend sind vier Rädelsführer der Flüchtlinge, wie es von Polizeiseite hieß, in einen anderen Landkreis übersiedelt worden. Für die etwa 30 in Bautzen lebenden Asylwerber gelten in der Unterkunft nun Alkoholverbot und eine Ausgangssperre ab 19 Uhr – eine „kurzfristige Maßnahme“, wie Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth sagte.
Fakt ist aber, dass sich Flüchtlinge und junge Bautzener, darunter viele Arbeitslose, seit Monaten auf dem Kohlmarkt gegenübersitzen und dort ihre Zeit verbringen – jeweils an unterschiedlichen Stellen des Platzes. Immer wieder gibt es dort gegenseitige Beschimpfungen und gewalttätige Zwischenfälle. Auf beiden Seiten ist viel Alkohol im Spiel.
Eine für gestern, Freitag, angekündigte Demonstration der Rechten wurde kurzfristig abgesagt. Für Sonntag rufen rechte Aktivisten aus Westdeutschland im Netz dazu auf, nach Bautzen zu kommen. (red./ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2016)