Hamas-Fatah-Konflikt lässt erste Wahlen seit 2006 platzen

Demonstranten demonstrieren gegen eine Verschiebung der Wahlen.
Demonstranten demonstrieren gegen eine Verschiebung der Wahlen.APA/AFP/ABBAS MOMANI
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Ein Rechtsstreit zwischen den Parteien um Kandidatenlisten in den Palästinensergebieten eskalierte. Der Oberste Gerichtshof sagte die Kommunalwahlen ab.

Zum ersten Mal seit zehn Jahren sollten die Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen an einer gemeinsamen Kommunalwahl teilnehmen - nun ist die Abstimmung geplatzt. Der Wahltermin am 8. Oktober sei angesichts einer ausstehenden Entscheidung des Obersten Gerichts in Ramallah nicht zu halten, teilte die Wahlkommission am Mittwoch mit. Ein neuer Termin wurde nicht festgelegt.

Die Kommunalwahlen sollten erstmals seit 2006 sowohl im Westjordanland als auch im Gazastreifen stattfinden. Die Kommunalwahl im Jahr 2012 hatte die im Gazastreifen regierende Hamas boykottiert. Diesmal wollte sie sich aber wieder beteiligen.

Die Differenzen zwischen der Hamas und der im Westjordanland regierenden Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sind jedoch so tiefgreifend, dass schon lange bezweifelt wurde, ob der Urnengang wirklich stattfinden würde. Ein Streit über Kandidatenlisten zwischen Fatah und Hamas landete schließlich vor dem Obersten Gericht in Ramallah.

Hamas: Fatah wollte Neuwahlen entkommen

Bereits am 8. September hatte das Gericht die Wahl ausgesetzt. Es war zunächst aber unklar, ob es sich um eine endgültige Absage handelte. Am Mittwoch stellten die Richter dann ein Urteil am 3. Oktober in Aussicht - also fünf Tage vor dem geplanten Wahltermin. Weil der Wahlkampf normalerweise aber zwei Wochen dauert, sagte die Wahlkommission den Termin nun ganz ab. Eigentlich hätte der Wahlkampf am Freitag beginnen sollen.

Die Entscheidung des Gerichts laufe auf eine "Absage des gesamten Wahlprozesses" hinaus, sagte Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri in einer ersten Reaktion auf den geplatzten Termin. Er warf der Fatah vor, den Streit um die Kandidatenlisten bewusst auf die Spitze getrieben zu haben, um "neuen Wahlen zu entkommen".

Der Sieg der radikalislamischen Hamas bei der Parlamentswahl im Jahr 2006 hatte beinahe einen Bürgerkrieg im Gazastreifen heraufbeschworen, ein Jahr später übernahm sie die Macht in dem Küstengebiet. Seitdem hat es in den Palästinensergebieten weder Parlamentssitzungen noch -wahlen mehr gegeben. Die geplante gemeinsame Kommunalwahl galt daher als wichtiges Stimmungsbarometer.

Politisches Kalkül von Abbas

Nach Einschätzung einiger politischer Beobachter hatte Abbas die Kommunalwahl in der Hoffnung einberufen, dass die Hamas sie erneut boykottiert - aber seine Strategie sei nicht aufgegangen. Der 81-jährige Palästinenserpräsident steht unter starkem politischen Druck; Meinungsumfragen zufolge befürworten die meisten Palästinenser seinen Rücktritt. Die letzte Präsidentschaftswahl war 2005.

Das Mandat von Abbas endete eigentlich 2009, wurde aber immer wieder verlängert. Derzeit hält er sich in New York auf, wo er am Donnerstag bei der Generaldebatte der UN-Vollversammlung reden soll.

Insgesamt sollten im Oktober die Räte von 416 Städten und Gemeinden im Gazastreifen und dem von Israel besetzten Westjordanland gewählt werden. Beobachter sahen in dem Votum auch einen Test, ob sich Fatah und Hamas auf entscheidende Schritte zu ihrer Aussöhnung einlassen können. Ihre Spaltung gilt als eines der Hindernisse in den Bemühungen, den seit mehr als zwei Jahren brachliegenden Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern wiederzubeleben.

Die internationale Gemeinschaft fordert von der Hamas allerdings, dass sie den Staat Israel anerkennt und der Gewalt gegen ihn abschwört und alle bisherigen Abkommen zwischen israelischen und palästinensischen Führern anerkennt. In den USA und der EU steht die islamistische Bewegung auf der schwarzen Liste der Terrororganisationen.

(APA/AFP)

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