Eine Horrorwoche für Donald Trump

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US-REPUBLICAN-PRESIDENTIAL-CANDIDATE-DONALD-TRUMP-CAMPAIGNS-IN-B(c) APA/AFP/GETTY IMAGES/Jessica Kou (Jessica Kourkounis)
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Der republikanische Kandidat hat sich mit Steueraffären in die Bredouille gebracht. Mike Pence, sein Vize, musste sich im TV-Duell für ihn in die Bresche werfen.

Wien/Washington. Mike Pence ist ein rechtschaffener Mann, ein braver Kirchgänger und vehementer Abtreibungsgegner. In der Nacht auf Mittwoch hatte der Gouverneur von Indiana, ein erzkonservativer Republikaner, im TV-Duell der Vizepräsidentschaftskandidaten in Farmville– einem Städtchen in Virginia, das kaum amerikanischer sein könnte – gegen den Kontrahenten Tim Kaine indessen eine höchst delikate Aufgabe zu bewältigen.

Nicht nur trat er gegen den Vize Hillary Clintons an, einen eloquenten Jesuitenschüler, der als Senator und Ex-Gouverneur in Virginia über einen Heimvorteil verfügte. Pence musste sich auch für seinen Chef in eine Redeschlacht werfen, in der es für ihn nur wenig zu gewinnen gab. Denn seit dem vorwöchigen Auftakt der TV-Diskussionen der Präsidentschaftskandidaten, einem inferioren Auftritt gegen Hillary Clinton, hat Donald Trump vor allem verbrannte Erde hinterlassen. Kommentatoren sprachen von einer „verheerenden Woche“ Trumps.

Ex-Miss gegen Macho

Erst brachte Clinton die Ex-Miss-Universe aus Venezuela, Alicia Machado, gegen den Macho in Stellung, die er 1996 als Zampano der Miss-Wahl als „Miss Piggy“ oder als „Miss Zimmermädchen“ mit zu viel Babyspeck verunglimpft hatte. Mit dem Sexismus-Vorwurf gegen ihren Rivalen spielte Clinton gleich zwei Trümpfe aus und stach Trump bei Wählergruppen aus, die ihm ohnedies fernstehen: Frauen und Latinos. Die Anschuldigungen trieben den dünnhäutigen Milliardär so sehr um, dass er ab drei Uhr früh begann, Gegenattacken via Twitter abzufeuern, was die Sache nur noch schlechter machte.

In der Kultsendung „Saturday Night Live“ schlüpfte Hollywood-Star Alec Baldwin sodann in die Rolle Trumps, um ihn in einer Persiflage, den geschürzten Lippen und allerlei Manierismen, dem Hohn preiszugeben. Dass das Magazin „Forbes“ den Magnaten in seiner aktuellen Liste mit einem taxierten Vermögen von 3,7 Milliarden Dollar nur auf Rang 505 klassifizierte, traf den Narzissten vielleicht an seinem wundesten Punkt.

Am Sonntag schlug schließlich die „New York Times“ mit einer dreiseitigen Enthüllung zu: 1995 verbuchte Trump demnach 916Millionen Dollar an Schulden aus Fehlspekulationen in der Casino-Stadt Atlantic City in New Jersey, wo es ihm offenkundig erlaubt wurde, seither keine Einkommenssteuer mehr zu zahlen. Darum war er offenbar auch so erpicht darauf, entgegen den Usancen in US-Wahlkämpfen seine Steuererklärung nicht zu veröffentlichen. Als Clinton ihm diese Mutmaßung bereits in der TV-Debatte unter die Nase gerieben hatte, rutschte es aus ihm heraus. Er zahle keine Steuern, „weil ich so smart bin“.

Auf diese Verteidigungsstrategie, die fatal an Silvio Berlusconi erinnert, haben sich nun Trump und Pence sowie ihre Mitstreiter Chris Christie und Rudy Giuliani verständigt. Er habe die Schlupflöcher im Steuersystem „brillant“ ausgenutzt, brüstete sich Trump, ehe er die Clintons attackierte, die seit ihrem Auszug aus dem Weißen Haus 200Millionen Dollar an Redenhonorar eingestrichen hätten. Zugleich spöttelte er jüngst über den Schwächeanfall Hillary Clintons bei der 9/11-Gedenkfeier in New York infolge einer Lungenentzündung und stellte ihr Standvermögen und ihre Energie infrage. New Yorks Ex-Bürgermeister Giuliani assistierte Trump: Als Geschäftsmann sei er ein „absolutes Genie“. Die Demokraten lästern derweil über den „Eine-Milliarde-Dollar-Verlierer“.

Breite Front gegen Trump

In den vergangenen Tagen sprachen sich reihenweise Zeitungen, selbst republikanische wie „Arizona Republic“ und neutrale wie „USA Today“, dezidiert für eine Wahl Clintons aus. Ihr Succus: „Trump ist ungeeignet für die Präsidentschaft.“ Auch die jüngsten Umfragen weisen eine klare Tendenz für die Demokratin aus, in Swing States wie Ohio und Florida machte sie Terrain gegen ihren Herausforderer gut. In Toledo in Ohio startete sie einen Generalangriff gegen ihren Gegner: „Er missbraucht seine Macht, spielt mit dem System, stellt seine Interessen vor jene des Landes.“ Dass New Yorks Generalstaatsanwalt der Trump-Stiftung wegen dubioser Methoden das Geldsammeln untersagt hat, ist indessen nur der letzte Rückschlag.

Auf Entlastung darf Trump allenfalls – vorerst nur vage – von Julian Assange hoffen. Der WikiLeaks-Gründer stellte bis zur Wahl am 8.November wöchentliche Enthüllungen in Aussicht, allerdings nicht dezidiert gegen Clinton. In den USA raunen dennoch viele von der „October surprise“, die sich gegen die Demokratin wenden könnte.

In der Nacht auf Mittwoch musste sich Pence indessen allerlei Vorwürfe um die Ohren schlagen lassen, die in erster Linie gegen Donald Trump gerichtet waren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2016)

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