Wollzeile: Straße der Wiener Familienbetriebe

Einige Betriebe schlossen zuletzt auf der Wollzeile, Sonja Völker sperrte ihre Papeterie Herzilein auf.
Einige Betriebe schlossen zuletzt auf der Wollzeile, Sonja Völker sperrte ihre Papeterie Herzilein auf.Clemens Fabry / Die Presse
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Ihr sind einige Institutionen abhandengekommen, dennoch hat sich die Wollzeile ihr Flair bewahrt. Ketten sucht man vergebens, Neuzugänge sind allerdings selten. Buchhändler Frick schließt nun auch seine Restseller-Filiale.

Wien. Es tut immer weh, wenn eine Institution schließt. Wenn es gleich mehrere innerhalb weniger Monate sind, umso mehr. Zumal es solche waren, die man nicht nur im Grätzel rund um die Wollzeile kannte, sondern deren Namen wienweit ein Begriff waren. Das Feinkostgeschäft Böhle, Spielwaren Kober, Kreps Lederwaren und der Jagdgewandausstatter Turczynski, der Frick, der seine Buchhandlung im Erzbischöflichen Palais (Wollzeile 2) schon vor einiger Zeit geschlossen hat, und dessen Restseller-Geschäft nur noch heute, Mittwoch, geöffnet hat, ehe es ebenfalls sperrt.

Bei all den verloren gegangenen Institutionen, an die man beim Durchspazieren ob der doch unübersehbaren Leerstände erinnert wird, ist die Wollzeile trotzdem immer noch eine charmante Einkaufsstraße in bester Lage, die sich ihren ganz eigenen Charakter bewahrt hat. Gerade im Ersten, in dem sich andernorts internationale Ketten aneinanderreihen, ist es keine Selbstverständlichkeit, dass die Wollzeile nach wie vor eine angenehm ruhige und beschauliche Einkaufsstraße mit vielen Nahversorgern geblieben ist. Wo sonst bekommt man so leicht Kochtöpfe und Keksformen wie beim Lackstätter? Wo findet man so eine breite Tortendeko-Auswahl wie beim Reimer? Von der enormen Zeitschriftenauswahl beim Morawa gar nicht zu reden.

Ein großer Teil der Läden sind nach wie vor Urwiener Familienbetriebe, die es hier zum Teil seit Ende des 19. Jahrhunderts gibt. A. Katzer (Papierwaren, Souvenirs) etwa und der Schönbichler, eine Theehandlung (die sich tatsächlich noch so schreibt). Dazu kommt das alteingesessene Kabarett Simpl, aus der Gastronomie sind wohl der Plachutta, der Figlmüller (für die Touristen), aber etwa auch das Café Diglas und die Konditorei Heiner bekannte Zugpferde.

Nachmieter gesucht

Die Neuzugänge freilich sind – nicht zuletzt ob der hohen Mieten – selten. Das Käsefachgeschäft Der Schweizer (seit 2013) ist eine Ausnahme, ebenso wie Sonja Völker, die vor wenigen Monaten den legendären Turczynski übernommen, die edle, alte Einrichtung bewahrt und das Gewandgeschäft in eine gehobene Papeterie (Herzilein) verwandelt hat. Seit 2008 schon betreibt sie auf der anderen Straßenseite ihr gleichnamiges Kinderbekleidungsgeschäft.

„Ich liebe die Wollzeile“, sagt Völker. „Es ist ein Eck in Wien, das bisher von den großen Ketten unangetastet geblieben ist, mit einer guten Frequenz und einem speziellen Flair.“ Völker spricht von einer „heiklen Zeit“, die die Wollzeile gerade durchlebe, die Leerstände sind unübersehbar, Nachmieter für die gesperrten, alten Läden finden sich ob der kolportiert hohen Preise bisher sonst keine.

Auf der Wollzeile munkelt man etwa von 11.000 Euro Miete für das Geschäftslokal vom Böhle, doppelt so viel sollen die Räumlichkeiten von Kreps pro Monat kosten, auch der Kober steht noch immer leer. „Wenn die Summen, die man hört, stimmen“, sagt Völker, „kann man das nicht rentabel führen. Ein Newcomer kann sich da niemals drübertrauen.“

Von „einer Situation, die ich in den vergangenen 15 Jahren nicht erlebt habe“, spricht gar der Obmann der Sparte Handel, Rainer Trefelik, wenn man ihn auf die Leerstände – auf der Wollzeile („eine sehr engagierte Straße“) und im Rest der Inneren Stadt – anspricht. Die hohen Mieten seien nämlich nicht nur für kleine Unternehmer unleistbar, auch größere Ketten würden sich die immer höher werdenden Mietpreise nicht mehr leisten wollen.

Dem Flair der Straße tut es natürlich nicht gut, wenn ganze Auslagenzüge leer stehen, „daran gehen die Leute nicht gern vorbei“, sagt Leopold Nagy, mit seinem gleichnamigen Hutgeschäft eine weitere Institution der Wollzeile. Von seinen Filialen sei jene auf der Wollzeile „nach wie vor die Beste, die Straße hatte immer einen guten Branchenmix“. Die öffentliche Anbindung sei bestens, aber wenn Kunden mit dem Auto kommen wollen, sei das ob der vielen Anrainerparkplätze unattraktiv geworden. Diese sieht auch Trefelik kritisch, „der Kunde muss nach wie vor die Chance haben, einen Parkplatz zu finden“, sagt er .

Was der Straße – der Name Wollzeile geht auf die Wollweber zurück, die hier im 12. Jahrhundert angesiedelt waren – auch guttäte, da sind sich Völker von Herzilein und Huthändler Nagy einig: die Chance auf Sonntagsöffnung, die das Geschäft dank Touristen beleben würde. Ein paar Meter weiter dürfen „Souvenirläden mit ihrer Fernost-Ware offen haben“, kritisiert Völker, „wir Betriebe mit Wiener Handwerk aber nicht. Da fühle ich mich wirklich benachteiligt.“

AUF EINEN BLICK

Buch und Papier: Das sind die beiden verwandten Schwerpunkte auf der Wollzeile. Die Buchhandlung Frick hat hier zwar ab morgen keine Filiale mehr, aber mit dem Morawa (11) und der Buchhandlung Herder (33) sowie dem noch recht jungen Buch und Kunst (Wollzeile 2) sind nach wie vor einige Buchläden zu finden. Was den Papierbedarf betrifft, gibt es drei Shopping-Adressen:

Das älteste Geschäft der Straße– das 1837 gegründete Papierhaus A. Katzer(Hausnummer 5), weiters König & Ebhardt (17) und dann die Herzilein Papeterie (18). Und sonst? Eine Institution ist die Theehandlung Schönbichler (Wollzeile 4). Den Bedarf an Alltagsküchengeräten deckt der Lackstätter Geschirr (Wollzeile 18), gegenüber liegt mit dem Staudigl (Wollzeile 25) ein großes Reformhaus. Für die Shopping-Pausen gibt es das Café Diglas (10) und die Konditorei Heiner (Wollzeile 9).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2016)

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