Die junge serbische Autorin Barbi Markovi¿ erzählt über ihre Heimatstadt.
Belgrads Innenstadt mag im internationalen Vergleich recht überschaubar sein. Ein paar Straßenzüge sind es, die das Zentrum ausmachen: die bekannte Fußgängerzone Knez Mihajlova, der Terazije-Boulevard mit dem altehrwürdigen Hotel Moskva und der Studentenplatz mit seinem kleinen Park. Doch wer hier schon einmal durch die Straßen geschlendert ist, weiß, dass das Leben in der serbischen Hauptstadt pulsieren kann. Tagsüber – und nach Sonnenuntergang, wenn sich die schicken Diskotheken auf ihre vergnügungssüchtige Kundschaft vorbereiten. „Belgrad ist intensiver und schneller als Wien“, sagt die serbische in Wien lebende Autorin Barbara „Barbi“ Marković. „Alles passiert auf der Straße.“
Thomas Bernhard remixed
Einen Eindruck, den ihr Buch „Ausgehen“, das im April diesen Jahres auf Deutsch bei Suhrkamp erschienen ist, allerdings nicht unbedingt bestätigt. Denn „Ausgehen“, so komisch es klingt, ist eigentlich ein Antiausgehbuch. Der schmale Band ist ein – wie die 29-Jährige es nennt – „Remix“ von Thomas Bernhards Klassiker „Gehen“.
Marković hat Bernhards Protagonisten in das Belgrad kurz nach der Jahrtausendwende überführt, in ein Land im Stillstand, abgeschnitten von der Außenwelt. Drei junge Frauen schlagen ihre Zeit in der Elektronikszene tot. Doch die Fluchtversuche in die Clubkultur misslingen: langweilig, geschmacklos, einengend – ätzen die drei. Eine, Bojana, landet schließlich, allein und deprimiert, vor dem Fernseher.
Vor fünf Jahren schrieb Marković ihr Buch, damals lebte sie noch in Belgrad. Die Autorin erinnert sich nur zu gut an diese Jahre, an die gesellschaftliche Lethargie und Ausweglosigkeit. „Es war aussichtslos in Serbien“, sagt sie. „Man konnte nicht reisen.“ Das nächtliche Umherschwirren verblieb als einzige Aktivität – ein missglückter Fluchtpunkt, so Marković: Die Szene sei „eine kleine Gruppe von Leuten“ gewesen, „paradigmatisch für die Geschlossenheit des Landes“.
„In Belgrad sagt niemand Danke“
Seit vier Jahren lebt Barbi Marković nun in Wien. Sie kam nach Österreich, um ihr Germanistikstudium zu beenden. Heilfroh war sie damals, aus Serbien herausgekommen zu sein. Ihr erster Gedanke in Wien: „Wow, diese Menschen sind so nett!“ So eine Aussage hätte man nicht unbedingt erwartet.
„In Belgrad sagt niemand Danke“, erklärt Marković dann. „In Wien ist das gute Benehmen auf einem höheren Niveau.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2009)