Buhlen um Everybody's Darling

French Foreign Minister Kouchner
French Foreign Minister Kouchner (c) REUTERS (MIKE SEGAR)
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Präsident Obama übernimmt Führungsrolle in Abrüstungsinitiative und schmiedet Front gegen den Iran.

new york. Der Hammer schlug sachte aufs Holz, und nach ein paar einführenden Worten hoben sich schon die Hände um den runden Tisch. Kaum war die Sitzung des UN-Sicherheitsrats eröffnet, billigten die 15 Mitglieder die Resolution 1887 – nichts weniger als die Abschaffung des atomaren Arsenals. Selten legt das höchste Gremium der Vereinten Nationen, oft blockiert durch nationale Partikularinteressen der „Big Five“ und von Libyens Muammar Gadhafi als „Terror-Rat“ denunziert, eine solche Entschlusskraft an den Tag.

Doch wenn US-Präsident Barack Obama – in einer Premiere – höchstpersönlich den Vorsitz führt, gehört die Bekundung des guten Willens zur Pflicht eines jeden Präsidenten. Das Votum war reine Routinesache.

Neue Vereinte Nationen?

Der brillante Auftritt des französischen Außenministers Dominique de Villepin als Gegenspieler Colin Powells bei einer Sondersitzung zur Irak-Krise vor bald sieben Jahren ist manchem in der UNO noch gegenwärtig. Die UN-Regie rief ihn am Donnerstag noch einmal kurz in Erinnerung. Wie die westlichen Ressentiments gegenüber der US-Regierung ist mittlerweile aber auch der feinsinnige Salondiplomat de Villepin, ein abgehalfterter Sarkozy-Rivale und Protegé Jacques Chiracs, passé.

Inzwischen hofiert die Staatenwelt Barack Obama, jeder buhlt um Aufmerksamkeit von „Everybody's Darling“. Und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy und sein Außenminister Bernard Kouchner taten sich dabei besonders hervor – sichtbarstes Zeichen des Wandels in den Couloirs des UN-Hauptquartiers am East River in New York. Hier ein joviales Schulterklopfen, dort ein amikales Wort: Obama hat für jeden eine kleine Geste parat. In einem Parcours im Sicherheitsrat nahm er die Gratulationen zu seiner Rede vor der UN-Vollversammlung entgegen. Durch die ein wenig schäbigen Hallen der UN-Zentrale weht ein frischer Geist, so der Tenor unter den Staats- und Regierungschefs.

Schon ist ein wenig euphorisch von neuen „Vereinten Nationen“ die Rede, wenngleich sich der Schwerpunkt abends bereits auf einen neuen Machtzirkel verlagerte – den G20-Gipfel in Pittsburgh. Der politische Wanderzirkus – die Browns, Sarkozys und Medwedjews – zog in die ehemalige Stahlmetropole nach Pennsylvania weiter. Folgerichtig urgierte Sarkozy die überfällige Reform des UN-Sicherheitsrats und den Einschluss Afrikas, Lateinamerikas sowie von Mittelmächten wie Deutschland, Japan, Brasilien oder Indien.

Reihum erteilte Obama in der Sicherheitsratssitzung das Wort, bei der auch Österreich in Person des Bundespräsidenten am Tisch der Mächtigen saß. Heinz Fischer forderte die Atomstaaten dazu auf, ein stärkeres Engagement für Abrüstung zu demonstrieren: „Resolutionen sind nicht genug.“

Obama gab sich indes keinen Illusionen über eine Verwirklichung seiner Utopie einer atomwaffenfreien Welt hin, die er vor einem halben Jahr auf dem Hradschin in Prag formuliert hatte. Die Staatenwelt ringt zunächst um einen Atomwaffentest-Stopp und die Nichtweiterverbreitung von Nuklearwaffen. Die Abrüstungsinitiative zwischen Washington und Moskau, die die Verschrottung von Atomsprengköpfen zum Ziel hat, könnte indessen bis Ende des Jahres unter Dach und Fach sein.

Moskaus Njet aufgeweicht

Mit dem jüngsten Verzicht auf das Raketenabwehrsystem in Ostmitteleuropa hat Obama zudem die starre Haltung Russlands in der Iran-Frage aufgelockert. „Sanktionen führen selten zu produktiven Ergebnissen, sind jedoch in manchen Fällen unvermeidlich“, erklärte Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew.

Seine Worte wogen umso schwerer, als der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad – begleitet von Protesten inner- und außerhalb des UNO-Hauptquartiers – die Staatenwelt von Neuem mit antisemitischen Ausfällen provozierte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2009)

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