Erbitterte Schlacht um den US-Kongress

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Rekordsummen heizen einige Wahlkämpfe um Senatoren- und Abgeordnetensitze an. Die Demokraten könnten die Mehrheit im Senat zurückgewinnen. Doch das House wird republikanisch bleiben – und seine Blockadepolitik verschärfen.

Washington. Neun Prozent der Amerikaner haben Vertrauen in den Kongress: Wie dieses heurige Ergebnis der jährlichen Umfrage von Gallup zeigt, wird keine der Institutionen der amerikanischen Gesellschaft so verachtet wie der Gesetzgeber. Das Tun in den beiden Kammern des Kongresses war während der acht Jahre der Obama-Präsidentschaft fast durchwegs von gegenseitiger Blockade geprägt, die Ende 2013 beinahe zum Staatsbankrott der USA geführt hätte, als eine Gruppe republikanischer Senatoren und Abgeordneter den Abschluss eines Budgetprovisoriums und die für gewöhnlich unumstrittene Erhöhung der Grenze für die Neuverschuldung der Bundesregierung blockierte. Im heurigen Sommer konnten sich Republikaner und Demokraten lange Zeit nicht einmal darauf einigen, das Budget für die Bekämpfung des Zikavirus zu erhöhen, welcher begonnen hatte, werdende Mütter in Miami zu befallen.

Studien zeigen, dass die beiden Parteien heute komplett voneinander getrennt sind. Die ideologische Spaltung ist perfekt: Seit den Kongresswahlen des Jahres 2004 gibt es zwischen den Demokraten und den Republikanern keine Überschneidungen mehr. Der konservativste Demokrat im Kongress ist, gemessen an seinem Abstimmungsverhalten, noch immer liberaler als der liberalste Republikaner.

Angriff auf Senatsmehrheit

Der Blick auf die Wahl des Präsidenten und die gleichzeitig dazu ablaufende Wahl von einem Drittel der Senatoren und allen 435 Abgeordneten des House offenbart ein bemerkenswertes Phänomen: Seit dem Jahr 1992 haben die Republikaner beim Rennen um das Weiße Haus nur ein Mal die absolute Mehrheit aller Wählerstimmen erobert (George W. Bush bei seiner Wiederwahl im Jahr 2004). Doch der Kongress ist heute fest in konservativen Händen. Im Abgeordnetenhaus liegen sie mit 247 zu 188 Sitzen voran, im Senat mit 54 zu 44 (zwei Senatoren, nämlich Bernie Sanders und Angus King sind nominell unabhängig, stimmen aber fast immer mit den Demokraten).

An der republikanischen Kontrolle des Abgeordnetenhauses wird sich wenig ändern. Die meisten Prognosen gestehen den Demokraten bloß einen Zugewinn von zehn bis 20 Sitzen zu. Das bedeutet, dass Paul Ryan, der republikanische Vorsitzende dieser Kammer, noch stärker unter Druck des Freedom Caucus stehen wird, einer Gruppe von rund 40 Republikanern am rechten Rand, die bereits damit gedroht haben, nicht für Ryans Wiederbestellung zu stimmen.

Hingegen hat die Demokratische Partei heuer eine gute Gelegenheit, die Mehrheit im Senat zurückzugewinnen. Denn mehrere republikanische Senatoren in politisch gemischten Staaten müssen sich nun der Wiederwahl stellen. Falls Hillary Clinton Präsidentin wird, würde es den Demokraten reichen, vier Senatssitze zurückzugewinnen; Vizepräsident Tim Kaine wäre dann bei 50:50-Abstimmungen als Vorsitzender des Senates das Zünglein an der Waage.

Die vergleichsweise schlechten Umfragewerte für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten, Donald Trump, in einigen dieser Staaten eröffnen den Demokraten, diese durchwegs eher gemäßigten konservativen Senatoren anzugreifen. Es geht dabei in erster Linie um Kelly Ayotte in New Hampshire, Richard Burr in North Carolina, Pat Toomey in Pennsylvania, Ron Johnson in Wisconsin, Rob Portman in Ohio, Mark Kirk in Illinois sowie Roy Blunt in Missouri, sie sind Hauptangriffsziele der Demokraten.

Portman dürfte seine Wahl gegen den früheren demokratischen Gouverneur von Ohio, Ted Stickland, ziemlich sicher gewinnen. Der frühere US-Außenhandelsbeauftragte unter Präsident Georg W. Bush führt in den jüngsten zehn Umfragen mit mindestens elf Punkten, er hat enorme Geldsummen eingetrieben. Laut der Nichtregierungsorganisation Open Secrets, die Wahlspenden dokumentiert, hat er knapp 25 Millionen Dollar (22,4 Millionen Euro) an Spenden gesammelt, von denen er mehr als fünf Millionen Dollar gar nicht ausgeben musste.

140 Millionen Dollar Spendenrekord

Die anderen sechs Republikaner stehen auf dünnerem Eis: Ayotte hat es mit der beliebten Gouverneurin Maggie Hassan zu tun, Kirk mit der US-Abgeordneten Tammy Duckworth, einer früheren Kampfpilotin, die 2004 im Irak abgeschossen wurde und beide Beine verlor. Vor Kurzem redete sich Kirk zudem in einen Wirbel, als er zu Duckworth, deren Mutter aus Thailand stammt, deren Ahnen väterlicherseits aber im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg kämpften, dies sagte: „Ich habe vergessen, dass Ihre Eltern den ganzen Weg aus Thailand gekommen sind, um an der Seite von George Washington zu kämpfen.“ Einen ähnlichen Fauxpas leistete sich Burr, als er bei einem Treffen mit Spendern meinte, Waffenbesitzer könnten ja ein Fadenkreuz auf Hillary Clintons Gesicht platzieren. Er dürfte dennoch gegen die Anwältin Deborah Ross gewinnen.

Senator Blunt in Missouri wiederum ringt mit dem Vorwurf, ein Washingtoner Insider wie aus dem Bilderbuch der Trumpschen Elitenkritik zu sein (seine Frau und drei Kinder sind Lobbyisten), sein Gegner Jason Kander, der jugendliche Justizminister von Missouri, liegt in Umfragen mit ihm Kopf an Kopf. Ron Johnson in Wisconsin liegt in Umfragen zweistellig hinter dem früheren Senator Russell Feingold.

Der teuerste Senatswahlkampf in der US-Geschichte findet in Pennsylvania statt. Rund 140 Millionen Dollar haben die Kampagnen von Toomey und seiner demokratischen Konkurrentin Katie McGinty gesammelt; die Umfragen lassen vorab kein Urteil zu, wer hier gewinnen wird.

Interessant sind drei weitere Duelle. Marco Rubio, der frühere Präsidentschaftskandidat, verwarf seine Ankündigung, nicht mehr für den Senat zu kandidieren. Präsident Barack Obama warf sich am Wochenende in Florida für Rubios Konkurrenten Patrick Murphy ins Zeug. Um die Nachfolge des demokratischen Klubchefs Harry Reid in Nevada rittern die Demokratin Catherine Cortez Masto und der Republikaner Joe Heck. Und in Indiana hofft der frühere demokratische Senator Evan Bayh, gegen den Ex-Marine Todd Young zu gewinnen.

Auf einen Blick

Der Kongress ist derzeit fest in der Hand der Republikaner. Sie haben im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit von 247 zu 188 Sitzen und im Senat eine Mehrheit von 54 zu 44 (zwei weitere Senatoren sind unabhängig, stimmen aber meist mit den Demokraten). Die konservative Mehrheit im Senat wackelt, denn zumindest sechs republikanische Amtsinhaber müssen um ihre Wiederwahl zittern. Das House hingegen dürfte auch in den nächsten beiden Jahren von den Republikanern geführt werden. Das bedeutet, dass fürs Erste keine großen legislativen Kompromisse zwischen dem Kongress und dem neuen Präsidenten zu erwarten sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2016)

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