Die Erfolgsrezepte von Trump & Co.

U.S. President-elect Donald Trump speaks at election night rally in Manhattan
U.S. President-elect Donald Trump speaks at election night rally in ManhattanREUTERS
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Einfache Sprache, Antiglobalisierungsstimmung, Aufstand gegen Political Correctness: Warum es Rechtspopulisten von den USA bis Europa gelingt, die Massen gegen das Establishment zu mobilisieren.

Das Beben, das die Wahl Donald Trumps ausgelöst hatte, pflanzte sich von den USA über den gesamten Globus fort. In der politischen Landschaft Europas hat das Votum der Supermacht – eine Zäsur und zugleich eine 180-Grad-Volte gegenüber der Obama-Regierung – die kontinentalen Verwerfungen zwischen der Regierungselite und den rechtspopulistischen Strömungen noch deutlicher hervortreten lassen.

Standen viele Staats- und Regierungschefs im Westen unter Schockstarre, jubelten autokratische Politiker wie der ungarische Premier, Viktor Orbán, und rechte Parteien von Schweden bis Italien, von Großbritannien bis Österreich über den Aufstieg Donald Trumps zum mächtigsten Mann der Welt. Sie hoffen auf eine Signalwirkung der US-Wahl auch auf Europa, auf die Präsidentenwahlen in Österreich in drei Wochen, auf die Parlaments- und Präsidentenwahlen in den Niederlanden, Frankreich oder Deutschland im kommenden Jahr. Was sind die Erfolgsfaktoren für den Rechtspopulismus?

1. Die Macht von „Wir sind das Volk“

Populisten treten nicht wie eine von vielen Parteien auf, die eines von vielen Programmen hat, sondern als jene, die exklusiv wissen, was das wahre Volk will. Man macht – so das Selbstverständnis – keine „herkömmliche Politik“, sondern vollzieht Volkes Willen. Das ist eine starke Botschaft. Einerseits, weil sie den Wähler auf Augenhöhe anspricht, insbesondere den „vergessenen Mann“, den schon Franklin D. Roosevelt adressiert hat. Andererseits macht man sich quasi sakrosankt: Denn wie soll, wer per Definition die Wahrheit gepachtet hat, je falschliegen? Deshalb definiert etwa der Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller Populisten als antipluralistisch. Und auch als antielitär. Wenn es ein wahres Volk der Wahren und Anständigen gibt, muss es schließlich auch ein falsches geben. Das sind bei Trump neben den Einwanderern auch die Eliten, denen sich Trump – wiewohl selbst Teil der Elite – rhetorisch entgegenstellt. Hillary Clinton legte ihm insofern einen Elfmeter auf, als sie Trumps Anhänger „als Korb voller Bedauernswerter“ bezeichnete. „Stolz, bedauernswert zu sein“ wurde zu deren Schlachtruf.

2. Das „Ihr seid okay“-Mantra

Political Correctness (PC) hat viel Gutes gebracht: Man sagt nicht mehr Bastard oder Krüppel. Aber sie hat auch ein immanentes Problem: Wenn man alle vor allen verbalen Verletzungen schützen will, wird es kompliziert – und es stellt sich das Gefühl ein, dass die Wirklichkeit zensiert wird. Trumps Beleidigungen sind für seine Anhänger oft befreiend – ein Beleg seiner Authentizität. Während Obama und Clinton sich rhetorisch verbogen, um nach jedem neuen islamistischen Terroranschlag nur ja nicht den Eindruck zu erwecken, sie wollten die Muslime unter Pauschalverdacht stellen, sprach Trump mit Gusto von „radikalen islamischen Terroristen“. Während PC den Menschen fordert, auch überfordert, sagen Politiker wie Trump den Menschen: „Ihr seid okay, kein Grund, sich zusammenzureißen. Ihr wisst, wie ich es meine.“ Seine Fans hätten Trump ernst, aber nicht wörtlich genommen, bei Journalisten sei es umgekehrt gewesen, analysierte die US-Journalistin Salena Zito.

3. Der Antiglobalisierungseffekt

Es ist paradox: Der New Yorker Milliardär, Pleitier und Immobilienmogul Donald Trump, der – wie Clinton ihm vorwarf – für sein Casinohotel in Las Vegas Stahl aus China verwendete, stilisierte sich im Wahlkampf zum vehementen Globalisierungskritiker. Im Industriegürtel im Norden stieß er auf das größte Echo. Der frustrierten Arbeiterschaft versprach er, die Jobs und Fabriken zurückzuholen, die nach Mexiko und China abgewandert sind. Die gefühlte Stagnation, der – bis zur heurigen Wende – langjährige Realeinkommensverlust bereiten den Nährboden für die simplen Parolen der Populisten, die jedoch kein ökonomisches Konzept anbieten. Sie mobilisieren Wähler mit der Angst vor kulturellem Identitätsverlust. Trump schürte wahlweise Ressentiments gegen Muslime und Latinos. Abschottung gegen Globalisierung und die „Überfremdung“ durch Migranten ist die Losung der Rechtspopulisten.

4. Die Sprache

Laut Analysen, etwa dem Lesbarkeitsindex nach Flesch und Kincaid, bewegt sich Trump auf dem sprachlichen Niveau eines Neunjährigen: kurz, knapp, konzise. Das Vokabular besteht im günstigsten Fall nur aus zwei Silben, Trump operiert mit Wiederholungen der Schlagwörter und vermeidet Fremdwörter. Seiner Twitter-Leidenschaft – die Botschaften beschränken sich auf 140Buchstaben – kommt das sehr entgegen. Die rhetorische Schlichtheit liefert Komikern und politischen Gegnern reichlich Stoff für Häme – bei seinen Wählern kommt sie indessen direkt an. In Österreich hat bereits Jörg Haider auf eine plastische und eingängige Sprache gesetzt.

5. Die postfaktische Medienwelt

Ekelhaft, verlogen, mies: Donald Trump war in der Wahl seiner Adjektive für Medien nicht dezent. Doch der Beifall seiner Anhänger war ihm sicher. Kommentare, Analysen oder Faktenchecks von „New York Times“ oder „Washington Post“ und selbst des konservativen „Wall Street Journal“ gingen an ihnen vorbei. Sie leben in einem Paralleluniversum zur medialen Blase in New York und Washington, der TV-Sender Fox News aus dem Hause Rupert Murdoch war lang ihr Stammsender.

Inzwischen vertrauen sie mehr auf die Onlinemedien der „alternativen Rechten“ wie Breitbart News und den Multiplikatoreffekt durch soziale Netzwerke, in denen sich Verschwörungstheorien, Halbwahrheiten und Lügen rasant verbreiten. Steven Bannon, Chef von Breitbart News, avancierte zum Wahlkampfmanager Trumps und könnte zum Stabschef im Weißen Haus aufsteigen.

Die Populisten umgehen traditionelle Medien, die die AfD in Deutschland als „Lügenpresse“ punziert, und ihre kritischen Fragen. Auch die FPÖ hat längst sehr erfolgreich eigene Parallelmedien aufgebaut. Das System der Rechtspopulisten bleibt geschlossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2016)

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