Das Überleben der Shoppingcity Seiersberg scheint durch eine Gesetzesnovelle vorläufig gesichert. Doch das Ringen geht weiter.
Wien. Über dem größten Einkaufszentrum der Steiermark und seinen 2100 Mitarbeitern hängt seit Juli ein Damoklesschwert. Der Verfassungsgerichtshof hat die Verbindungswege der Shoppingcity Seiersberg für gesetzeswidrig erklärt.
Ohne die lebenswichtigen Bindeglieder bliebe den Betreibern aber nur ein zerstückeltes, unrentables Center, das zusperren müsste. Und das Land wäre mitgefangen. Denn ein Rechtsgutachten bescheinigte der SCS, dass sie die Landesregierung, die die Verbindungswege absegnete, im Schadensfall auf 450 Mio. Euro klagen könnte.
Lex Seiersberg beschlossen
Das Land machte sich also schnellstmöglich daran, die rechtlichen Löcher zu stopfen, bevor die Wege mit 16. Jänner illegal werden. Zur Sicherheit fuhr man eine Doppelstrategie. Am Dienstag beschloss der Landtag mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und FPÖ den ersten Streich: Das neue Straßenverwaltungsgesetz, von Kritikern Lex Seiersberg genannt, fasst die Definition der Verbindungswege weiter. Sie müssen nicht mehr hauptsächlich von Anrainern benützt werden, sondern stehen einem größeren Personenkreis offen. Grüne und KPÖ empörten sich dort zum wiederholten Mal über die Anlassgesetzgebung. Dass auch die neue Rechtslage angefochten werden wird, gilt unter Beobachtern als wahrscheinlich. Schließlich wurde das Center seit der Eröffnung 2002 von Grazer Kaufleuten zehnmal erfolglos geklagt. Federführend daran beteiligt war fast immer der Spar-Konzern, der in Graz selbst zwei Einkaufszentren (Murpark und Citypark) betreibt. Die Kläger warfen der SCS vor den Stadttoren Verstöße gegen die Umwelt, die Raum- und die Bauordnung vor. Schlussendlich wandte sich Spar an die Volksanwaltschaft, die das Gericht anrief. Diesmal hatte die Beanstandung Erfolg.
Auf jeden Fall schindet man durch die Gesetzesnovelle Zeit, bis das Land seine zweite Strategie umsetzen kann. Diese besteht in einer Einzelstandortverordnung, die die Riesenanlage samt Verbindungsgängen zu einem einzigen Einkaufszentrum mit 74.000 m2 erklären soll. Die Wege wären so für immer aus der Klagschussbahn.
Angesichts des heftigen Gegenwinds aus Politik und Wirtschaft ließ sich die Regierung nicht lumpen. Sie zog fünf Gutachter zu, die die Notwendigkeit der Verordnung belegten. „Die Landesregierung hat somit einen Prüfansatz gewählt, der nicht darauf gerichtet war, eine Legitimation zu finden, die bestehenden Einkaufszentren zu rechtfertigen“, steht im Entwurf.
Rot-schwarze Einigkeit?
Probleme könnte es aber in der rot-schwarzen Landesregierung selbst geben. Sie muss die Verordnung einstimmig absegnen. Wirtschaftslandesrat und Wirtschaftsbundobmann Christian Buchmann (ÖVP) ist eher den Seiersberg-Kritikern zuzuordnen. Er sei „äußerst skeptisch, dass die Verordnung rechtlich hält“, sagte er zur „Presse“. Eine finale Meinung werde er erst Ende Dezember fällen, wenn die Begutachtung vorbei ist.
Seine Skepsis fußt auf einem von der steirischen Wirtschaftskammer beauftragten Rechtsgutachten. Dieses wertet die Verordnung als nachträgliche Sanierung eines überdimensionierten Centers. Die Kammer selbst sagt, man wolle nicht noch einen Präzedenzfall, der das ungehinderte Bauen auf der grünen Wiese untermauert, während die innerstädtischen Händler sterben. Bei dem Streit zwischen den Kammermitgliedern Spar und SCS sitze man zwischen den Stühlen, wird ergänzt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2016)