Das Wahldesaster hat den Blick deutlich "röter" werden lassen. In der SPÖ haben die Sozialisten plötzlich wieder Oberwasser. Gefordert werden Maßnahmen gegen Reiche, Spitzenmanager und Aktiengewinne.
Wien. „So lange ich regiere“, soll Bruno Kreisky einst gesagt haben, „wird rechts regiert.“ Doch damit hätte der „Sonnenkönig“ diesmal die Wahlen verloren. Die politische Mitte ist nach links gerückt, und für viele Sozialdemokraten ist nach dem Debakel in Deutschland und Oberösterreich eines klar: Man muss noch weiter nach links als die anderen.
„Es kann ja wohl nicht sein, dass mehr Arbeiter den Pühringer (Josef, Landeshauptmann von Oberösterreich, Anm.) wählen als die SPÖ“, meint Christoph Matznetter, Wirtschaftssprecher der SPÖ. „Wir müssen den Wählern attraktivere Lösungen anbieten.“ Wie die aussehen sollen, darüber haben einige in der SPÖ klare Vorstellungen: Vermögenszuwachssteuer, Begrenzung von Managerboni, Steuern auf Aktiengewinne, Wiedereinführung der Erbschaftssteuer – und natürlich eine „Reichensteuer“. „Es war ein gigantischer Fehler, die Diskussion darüber abzudrehen“, meint ein Landespolitiker. „In Oberösterreich haben wir die Rechnung bekommen.“
Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann hat im heurigen Frühjahr ein Ende der Diskussion über eine Vermögenssteuer verordnet und eine Arbeitsgruppe eingesetzt, in der die Rufer ihren Dampf ablassen sollten. In dieser Arbeitsgruppe bekommt man jetzt mit den bei der Parteispitze so ungeliebten Steuerthemen wieder Oberwasser.
Kritik an der Parteilinie
„Der Reflex zu sagen, die FPÖ gewinnt wegen der Ausländerpolitik, ist falsch. Sie gewinnt, weil den Menschen eine soziale Partei fehlt“, sagt der Landespolitiker. Und „die Wärme mit den einfachen Menschen“ müssen man unter anderem dadurch zeigen, „dass man die zur Kasse bittet, die für diese Krise verantwortlich sind“.
Dass das in einer Koalition mit der ÖVP nicht so leicht ist, lässt der hochrangige SP-Funktionär nicht gelten: „Der Bundeskanzler sollte sich bewusst machen, dass er auch SPÖ-Chef ist. Ist Parteilinie, was mit der ÖVP realisierbar ist, oder was wichtig für die Partei ist?“ Man müsse mehr Kanten und Ecken zeigen und sich auf die sozialdemokratischen Wurzeln besinnen.
Als eines der besten Mittel, um Flagge zu zeigen, sehen wieder mehr Funktionäre in der SPÖ eine Steuer für Besserverdiener. „Wir brauchen ohnehin neue Steuern, um das Budget zu sanieren“, sagt ein Mitglied der SP-Steuerarbeitsgruppe. Eine Vermögenssteuer allein könne das zwar nicht bewerkstelligen, „aber sie wäre ein wichtiges Signal. Die Menschen müssen sehen, dass die mehr zahlen, die sich auch mehr leisten können“. Vor allem dann, wenn man andere Steuern erhöht, die alle treffen.
Das Wahldesaster hat den Blick deutlich „röter“ werden lassen, als dieser vor den Urnengängen noch war. Vergangene Woche forderte bei einer Enquete im Parlament ausgerechnet ein Wirtschaftsforscher (Stephan Schulmeister, Wifo) „mehr Staat“, während die vertretenen SPÖ-Parteipolitiker bremsten.
„Reichensteuer wichtiges Signal“
„Ich weiß nicht“, meint jetzt ein SP-Präsidiumsmitglied, „warum wir immer so tun, als ob jeglicher staatlicher Einfluss automatisch negativ ist.“ Er verweist auf Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel, die die Rolle des Staates als Korrektiv für die Marktwirtschaft betont habe – „und das ist eine Konservative“. Auch er hält eine Reichensteuer für „ein wichtiges Signal“, das man bald setzen müsse. „Auf jeden Fall noch vor der Wien-Wahl.“
Reichensteuer auch in den USA?
Eine Reichensteuer ist derzeit auch in den USA im Gespräch. Präsident Barack Obama will diese unbedingt einführen, um das schwer angeschlagene Gesundheitssystem zu sanieren und eine staatliche Krankenversicherung für alle US-Bürger finanzieren zu können. Künftig sollen Einkommen ab 280.000 Dollar (Einzelverdiener) bzw. 350.000 Dollar (Familieneinkommen) stärker besteuert werden. Die maximale Steuerbelastung soll dabei auf 45 Prozent steigen. Womit Österreich den Vereinigten Staaten in puncto Reichensteuer voraus ist: Hierzulande werden bereits heute Einkommen ab der Höhe von 60.000Euro (87.600Dollar) mit 50 Prozent Spitzensteuer belastet.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2009)