Wall Street in Jubelstimmung

Donald Trump li USA Chairman of the Board Trump Entertainment Resorts anlaesslich der Eroeffnung d
Donald Trump li USA Chairman of the Board Trump Entertainment Resorts anlaesslich der Eroeffnung dimago/UPI Photo
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Der designierte US-Präsident Donald Trump hat die Abschaffung des Dodd-Frank Acts versprochen, gelobt enorme Infrastrukturprogramme und spickt sein Team mit Finanzveteranen.

Wer in Washington die Stätte des größten Erfolges des scheidenden US-Präsidenten Barack Obama im Kampf für den sprichwörtlichen kleinen Mann gegen die Winkelzüge der Finanzbranche aufsucht, steht vor einer Abbruchruine. Die Zentrale des Consumer Financial Protection Bureau (CFPB), gleich neben dem Weißen Haus, wird seit Monaten generalsaniert. Doch ob es in dem Bürogebäude nach seiner voraussichtlich im Juni nächsten Jahres um rund 220 Millionen Dollar (206 Millionen Euro) vollendeten Renovierung noch viel Arbeit zu erledigen geben wird, ist zweifelhaft. Denn kaum eine Finanzbehörde ist bei den Republikanern so verhasst wie diese mit dem Dodd-Frank Act im Jahr 2010 geschaffene Einrichtung zum Schutz vor Finanzbetrug. Mit Donald Trumps Wahlsieg ist der Weg für sie frei, alle Finanzreformen der Obama-Ära spurlos zu beseitigen.

Der designierte Präsident lässt an seiner Ablehnung des Dodd-Frank Acts keinen Zweifel: „Dodd-Frank hat es für Banker unmöglich gemacht, zu funktionieren“, sagte er im Mai. Das Gesetz mache es „sehr schwer, Geld an Menschen zu verleihen, um Arbeitsplätze zu schaffen, an Menschen mit Unternehmen. Und das muss aufhören“. Nach seinem Wahlsieg verschickte Trumps Büro eine Aussendung mit der Ankündigung, „den Dodd-Frank Act auseinanderzunehmen und mit neuen Vorschriften zu ersetzen, die Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen fördern.“

An dieser Stelle muss man kurz innehalten und sich fragen: Was genau hat ein Politiker, der für die einfachen Leute und gegen die Eliten aufzutreten gelobt, gegen ein Gesetz, das die Macht der Wall-Street-Banken eingrenzt? Man denke vor allem an Trumps Wahlkampfrede in Florida vom 13. Oktober, in der er Folgendes sagte: „Hillary Clinton trifft sich heimlich mit internationalen Banken, um die Zerstörung der US-Souveränität zu planen und diese globalen Finanzkräfte zu stärken.“

Ob man an die klandestine Beherrschung der Welt durch plutokratische Geheimbünde glaubt oder nicht: Der Dodd-Frank Act schuf erstmals einen Mechanismus zur Auflösung maroder Großbanken ohne Belastung der Steuerzahler. Die Federal Insurance Deposit Corporation, der im Jahr 1933 geschaffene US-Einlagensicherungsfonds, hat dank Dodd-Frank die Macht, kranke Finanzinstitute zu zerlegen und sich staatliche Nothilfen, die nicht zurückgezahlt werden, von den anderen Banken zu holen.

Die verhasste Volcker-Regel.
Mit diesem Mechanismus, der verhindern soll, dass Bankkonzerne zu groß werden, um im Krisenfall ohne Schaden für die gesamte Volkswirtschaft zerschlagen zu werden, kann die Wall Street zähneknirschend leben. Eine andere Schlüsselnorm von Dodd-Frank hingegen treibt die Banker auf die Palme. Die Volcker-Regeln, benannt nach dem früheren Notenbankpräsidenten Paul Volcker, verbietet den größten Wall-Street-Banken den Wertpapierhandel auf eigenen Gewinn. Das hat unzähligen Wertpapier- und Geldhändlern das Geschäft samt astronomischen Gehältern und Prämien verhagelt. Sie kümmert es wenig, dass die Volcker-Regel verhindern soll, dass die Banken aus Profitgier zu hohe Risken eingehen und Verluste einfahren, die über den Weg der Einlagensicherung letztlich vom Steuerzahler beglichen werden müssen.

Geordnete Abwicklung kranker Banken und Eindämmung der Börsenspekulation waren zwei Lehren, welche der damals demokratisch dominierte US-Kongress aus der Kernschmelze der Finanzmärkte in den Jahren 2007 bis 2009 gezogen hatte. Die Republikaner sind nun am Ruder und wollen diese beiden Reformen zunichte machen. Jeb Hensarling, der texanische Vorsitzende des Ausschusses für Finanzdienstleistungen im US-Abgeordnetenhaus und ein möglicher Kandidat für den Finanzministerposten, hat einen entsprechenden Entwurf bereits parat. Er sähe zudem vor, dass das CFPB sein Budget künftig vom Kongress erhält, nicht wie bisher von der Federal Reserve, und dass an die Stelle des CFPB-Präsidenten ein fünfköpfiges Gremium tritt. Beide Schritte würden die Unabhängigkeit des CFPB stark schwächen.

Dies sind nicht die einzigen Gründe dafür, dass man Trumps Präsidentschaft an der Wall Street mit großer Zuversicht erwartet. Der designierte Präsident umgibt sich darüber hinaus mit einer Entourage von Wall-Street-Insidern: Der frühere Goldman-Sachs-Banker Steven Mnuchin ist sein Kampagnenfinanzdirektor, der milliardenschwere Investor Wilbur Ross könnte Handelsminister werden, sein rechtspopulistischer Strategieberater Steve Bannon hat ebenfalls bei Goldman Sachs das Geldgeschäft gelernt, und Jamie Dimon, Vorstandschef von JP Morgan Chase, berät Trump (auch er wurde als Anwärter für den Finanzminister genannt). „Man müsste in die 1920er-Jahre zurückgehen, um so viel Wall-Street-Einfluss nach Washington kommen zu sehen“, sagte der Historiker Charles Geisst vom Manhattan College zum Magazin „Politico“.

Auch Trumps Ankündigung, eine Billion Dollar in Infrastrukturprojekte stecken zu wollen, erfreut die Banker. Denn das erfordert Anleihen, Zwischenfinanzierungen und Garantien – also die Dienste der Investmentbanken. „Hätten wir gewusst, wie gut Trump für die Wall Street sein wird, hätten wir für ihn wahlgekämpft“, unkte ein Goldman-Banker in „Politico.“

Fakten

2010 schuf der US-Kongress mit den Stimmen der Demokraten allein den Dodd-Frank Act. Dieses Gesetz war die Reaktion auf die schwere Krise der Finanzmärkte, welche die Große Rezession ausgelöst hatte.

Dodd-Frank ist ein sehr langes und kompliziertes Gesetz, aber seine zwei wichtigsten Neuerungen kann man recht einfach beschreiben. Erstens sollen keine Banken mehr so groß werden können, dass sie im Fall ihrer Konkursreife nicht ohne Schaden für die Allgemeinheit zerschlagen werden können. Zweitens dürfen die Banken nicht mehr auf eigene Rechnung und eigenen Gewinn an den Börsen spekulieren. Das soll verhindern, dass sie zu große Risken eingehen, deren Schaden dann von den Steuerzahlern gedeckt werden muss.

Donald Trump, der designierte neue US-Präsident, will den Dodd-Frank Act abschaffen. Er behauptet, dass die verschärfte Aufsicht und höhere Eigenkapitalvorschriften die Kreditvergabe lähmen. Wie Trump vorgehen will, ohne die Bedingungen für neue Finanzmarktblasen zu schaffen, ist unklar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2016)

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