Aus Akten des entmachteten Bahn-Personalchefs Franz Nigl geht verhvor, dass auch auch Betriebsräte die umstrittenen Diagnosedaten unterschrieben haben. Wilhelm Haberzettl weist die Vorwürfe zurück.
Wien (jaz). Die Affäre rund um die Aufzeichnung von Diagnosedaten der Mitarbeiter wird innerhalb von ÖBB-Management und Gewerkschaft immer mehr zu einem Kampf jeder gegen jeden. Wie berichtet, wurde der zunehmend zum „Alleinverantwortlichen“ stilisierte Personalchef Franz Nigl am vergangenen Wochenende de facto entmachtet. Diese Woche kam nun die Retourkutsche von Nigl. Er legte der in der Sache ermittelnden Staatsanwaltschaft brisante Dokumente vor, aus denen laut eines Berichts des „Formats“ ersichtlich ist, dass nicht nur nahezu sämtliche ÖBB-Vorstände, sondern auch die Betriebsräte Wilhelm Haberzettl und Gottfried Winkler Personalpapiere mit „Krankenstands-Begründungen“ unterschrieben haben.
Konkret unterzeichnete Winkler ein Personaldatenblatt eines ÖBB-Mitarbeiters, bei dem unter der Rubrik Krankenstände die Begründung „Herzklappen-OP“ vermerkt war. Haberzettl wiederum unterschrieb ein Datenblatt, in dem ein erhöhter Krankenstand mit der Begründung „Krankenhausaufenthalt“ versehen war. Darüber hinaus legte Nigl der Staatsanwaltschaft auch ein E–Mail vor, das ihm am 12.Mai 2009 von einer Sekretärin Haberzettls gesandt wurde. Darin heißt es: „Wie gerade telefonisch mit Herrn Haberzettl besprochen, sende ich Ihnen die genauen Daten.“ Dann folgen Name, Mitarbeiternummer und Geburtsdatum eines ÖBB-Beschäftigten. Das Ganze ist mit dem Zusatz „Krebspatient“ versehen.
Haberzettl weist Vorwürfe zurück
Pikant ist das Ganze vor allem deshalb, weil Haberzettl seit dem Auffliegen der Affäre das ÖBB-Management besonders scharf attackiert. So meinte er vor zwei Wochen: „Die Datenerhebungsblätter tragen Ihre Unterschriften. Keiner kann seine Hände in Unschuld waschen.“ In der Vorwoche wurde er jedoch zumindest gegenüber ÖBB-Chef Peter Klugar ein wenig kulanter. „Der derzeitige Vorstand wurde von der ganzen Sache am falschen Fuß erwischt. Da geht jetzt etwas hoch, was vor Jahren – noch unter dem alten Vorstand – eingefädelt wurde“, so Haberzettl damals. Nigl wurde ja von Ex-ÖBB-Chef Martin Huber 2004 zu den ÖBB geholt.
Im Gespräch mit der „Presse“ wies Haberzettl am Donnerstag sämtliche Vorwürfe zurück: „Die Begründung ,Krankenhausaufenthalt‘ ist ja keine medizinische Diagnose. Und bei dem E-Mail ging es um eine Intervention bei einer krankheitsbedingten Pensionierung, um die ich von dem betreffenden Mitarbeiter gebeten wurde. Dieser hat mir seine Diagnose freiwillig mitgeteilt.“
Das Personaldatenblatt mit der „Herzklappen-OP“, das von seinem Stellvertreter Gottfried Winkler unterschrieben wurde, enthalte natürlich Diagnosedaten, sagt Haberzettl. „Wir waren dabei unter Zeitdruck. Sonst wäre der Mitarbeiter aufgrund seines Krankenstandes von einer Beförderung ausgeschlossen worden.“ Den Schluss, dass der Betriebsrat somit über die Praktiken gewusst aber nichts getan hat, könne man daraus aber nicht ziehen. „Zu diesem Zeitpunkt (Oktober 2008, Anm.) hatten wir bereits ein entsprechendes Verfahren vor Gericht geführt. Wir verließen uns auf die Zusage des Managements, dass diese Praktiken abgestellt worden sind“, so Haberzettl. Außerdem könne man den Vorwurf weniger jenen machen, die solche Datenblätter unterschrieben haben, sondern jenen, die sie entwickelt haben.
Klugar und „Windpocken“
Neben den Gewerkschaftern haben aber natürlich auch verschiedenste ÖBB-Manager die umstrittenen Personaldatenblätter unterzeichnet. So unterzeichnete der jetzige ÖBB-Chef Klugar im Jahr 2007 in seiner damaligen Funktion als Vorstand der Infrastruktur Betrieb AG ein Personalblatt, in dem Krankenstände mit „Windpocken und grippalen Infekten“ begründet wurden. Klugar meinte dazu bereits vor zwei Wochen: „Ich habe nie gesagt, ich habe nichts gewusst, aber seit meiner Bestellung zum Chef der ÖBB-Holding wurde das Thema nicht an mich herangetragen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2009)