Wilhelm Haberzettl - Ein Robin Hood in der Defensive

(c) Michaela Bruckberger
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Eisenbahner-Gewerkschafter Wilhelm Haberzettl soll die ÖBB-Datenaffäre an die Öffentlichkeit gebracht haben. Doch die Sache ist ihm entglitten: Sogar Gewerkschafter murren über den "roten Willi".

Sie kamen und sie gingen. Eisenbahnergewerkschafter Wilhelm Haberzettl hat sie alle er- und überlebt. ÖBB-Generaldirektor Helmut Draxler zum Beispiel. Und dessen Nachfolger Rüdiger vorm Walde. Auch der spätere ÖBB-Boss Martin Huber war nur ein Intermezzo im Berufsleben des „roten Willi“. Und der jetzige ÖBB-Chef, Peter Klugar, ist überhaupt ein Greenhorn im Vergleich zu Haberzettl: Erst im vergangenen Jahr hat Klugar den Chefsessel übernommen. Gut möglich, dass er ihn bald wieder verlassen muss.

Das liegt daran, dass die leidige Datenaffäre um aufgezeichnete Krankenstände allen irgendwie über den Kopf wächst. Die Sache eskaliert fast täglich, berichten ÖBB-Insider. Und alle schlagen wie wild um sich: Jeder beschuldigt den anderen, es gibt Unterstellungen, Rechtfertigungen, Klagsdrohungen.

Für den machtbewussten Haberzettl müsste das eigentlich ein herrliches Schauspiel sein. Doch der Gewerkschaftsboss kann sich an all dem nicht laben. Er steht plötzlich selbst im Kreuzfeuer der Kritik. ÖVP, FPÖ und BZÖ haben am Freitag scharf gegen den „roten Willi“ geschossen – er stehe für das „Glaubwürdigkeitsproblem der SPÖ“, für den „tiefroten Skandal“, für den „roten Sumpf“. ÖBB-Personalchef Franz Nigl will Haberzettl klagen. Und in der Eisenbahnergewerkschaft selbst wird das Murren über den unberechenbaren Chef auch immer lauter.

Der Schutzpatron der ÖBBler ist in der Defensive. Eine Rolle, die Wilhelm Haberzettl so überhaupt nicht auf den Leib geschneidert ist. Seit gut zehn Jahren ist er Chef der Eisenbahnergewerkschaft – und er hat sich im Laufe der Jahre in der Rolle des heimlichen Generaldirektors auch gut gefallen. Ohne ihn geht nichts – solche Aussagen waren stets nach dem Geschmack des 54-Jährigen. Regelrecht aufgeblüht ist er im Jahre 2003, als der 66-Stunden-Streik der ÖBB das halbe Land lahmlegte.

Aber irgendwie sind ihm in der Datenaffäre die Dinge entglitten. In den ÖBB wird schon seit Wochen getuschelt, dass Haberzettl himself für das Hochkommen der Datenaffäre verantwortlich ist. Und zwar aus rein persönlichen Motiven.

Glaubt man den ÖBB-internen Gerüchten, dann hat Haberzettl die Missstände rund um Krankendaten – „von denen im Haus eh jeder gewusst hat“ – deshalb an die Medien gespielt, um zwei Managern „eins auszuwischen“. Das wäre erstens ÖBB-Chef Peter Klugar, der zum großen Ärger Haberzettls die Zentralisierung des ÖBB-Bereichs „Verschub“ diskutieren lässt. Und das ist zweitens Personalschef Nigl, der vor wenigen Wochen noch beste Aussichten hatte, Chef des ÖBB-Bereichs „Traktion“ zu werden. Das galt es nach Ansicht Haberzettls zu verhindern.

Doch jetzt darf der Gewerkschaftschef – wohl zum ersten Mal in seiner Karriere – erfahren, was ein Bumerang ist: Nigl legte der Staatsanwaltschaft Dokumente vor, in denen ersichtlich sein soll, dass sowohl Haberzettl als auch dessen Stellvertreter Gottfried Winkler Personalpapiere mit „Krankenstandsbegründungen“ unterschrieben haben.

Haberzettl weist die Vorwürfe natürlich empört zurück. Und schlägt nun selbst wie wild um sich: Am Freitag warf er dem ÖBB-Personalchef öffentlich vor, vermutlich auch noch Boni für das Sammeln von Krankenstandsdaten erhalten zu haben. Der will nun seinerseits wegen „Ehrenbeleidigung und Kreditschädigung“ den Gewerkschafter klagen.

In der Gewerkschaft ist man fassungslos: Haberzettl habe sich wohl überschätzt und sei da völlig im Alleingang in den Krieg gezogen. Wieder einmal, wie grantig hinzugefügt wird. Aber es ist halt einsam an der Spitze.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2009)

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