Eine aktuelle Sammlung reicht von geplanten Nato-Angriffen über Kindergeld für Flüchtlinge bis zum Aus für Christbäume.
Brüssel. Der Bericht des EU-Parlaments (siehe oben) wird mit täglich erhobenen Falschmeldungen durch den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) belegt. Auf „The Disinformation Digest“, einer öffentlich zugänglichen Internetplattform des EAD, kann nachgelesen werden, wie russische Medien Behauptungen aufstellen, die vor allem EU- und US-Gegnern als Argumentationshilfe dienen können. Einige Beispiele der vergangenen Wochen:
• Dritter Weltkrieg. Der russische Sender NTV verbreitete die Nachricht, dass sich Estland auf einen Krieg mit Russland vorbereite. Da Moskau und Washington zudem keine Einigung über das weitere Vorgehen in Syrien erzielt hätten, werde sich der Krieg global ausbreiten. Die prorussische Internetplattform Infowars.com verbreitete gar die Falschmeldung, die von George Soros kontrollierten USA hätten bereits den Krieg gegen Russland erklärt. In der Slowakei wurde über Protiprudu.org ebenfalls die Nachricht verbreitet, die Nato bereite einen militärischen Angriff gegen Russland vor.
• Gesteuerter Protest gegen Zeman. Eine Protestveranstaltung in Prag gegen den umstrittenen tschechischen Präsidenten, Miloš Zeman, wurde von der Internetplattform Skryta pravda als Unterwanderung durch ukrainische Nationalisten dargestellt. Andere Onlinemedien behaupteten, dass auch hier der US-Milliardär Soros die Fäden gezogen habe. Er wolle einen „Czech Maidan“ erzeugen – in Anspielung auf die einstige Protestbewegung in der Ukraine.
• 320.000 Euro für Flüchtling. Es sind vor allem Anhänger von rechten und rechstpopulistischen Gruppen, die das Ziel der russischen Desinformation in der Flüchtlingskrise sind. Ihnen werden immer neue Behauptungen als Argument geliefert. Die EU und vor allem Deutschland werden als Schuldige für das Chaos genannt. Der Kreml-nahe Journalist und Generaldirektor von Sputnik, Dmitry Kiselev, behauptete etwa in seiner Nachrichtenshow, Deutschland und die EU versuchten, Griechenland mithilfe der Flüchtlingswelle zu zerstören. Einer von russischen Medien erfundenen Nachricht gelang es, von der britischen Zeitung „The Sun“ aufgenommen zu werden. Demnach habe ein Flüchtling in Deutschland vom Staat 320.000 Euro allein an Sozialleistungen erhalten, weil er vier Frauen und 23 Kinder versorgen müsse.
• Angriff auf Christbaum. Seit Wochen berichten russische Medien von einem Verfall der traditionellen Werte in Westeuropa. Als Beispiel wird das Verbot von Lichtern auf Christbäumen genannt. Es soll laut dem Onlinedienst AC24.cz von der schwedischen Verwaltung aus Rücksicht auf muslimische Einwanderer ausgesprochen worden sein. Andere manipulierte Berichte handelten von Angriffen muslimischer Migranten gegen Weihnachtsbäume. (wb)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2016)