Danke, Dublin!

Das richtige Ja der Iren zum Vertrag von Lissabon darf in Wien und Brüssel nicht dazu führen, die alten Fehler wieder zu begehen. Also die Bürger für überfordert und sich für zu wichtig zu halten.

Es war die Stunde der Worthülsenproduzenten: Nach der Zustimmung der Iren zum EU-Vertrag von Lissabon drechselten die Grünen mit betont großem I: „Wichtiger Meilenstein für eine demokratische und grundrechtliche Stärkung der BürgerInnen.“ VP-EU-Delegationsleiter Ernst Strasser textete gar: „Dieses Ja ist ein klarer Auftrag für die Europäische Union, jetzt umgehend mit dem Bau des neuen Europa zu beginnen.“ Die Ober- und Niederösterreicher wissen eben, wie man ein Haus baut.

Tatsächlich ist der irische Beitrag gut für Europa. Nach dem Export bitteren, aber kräftigen Biers und der Ausstattung jeder Fußgängerzone mit Plastik-Pubs schenkte uns Irland eine Nachdenkpause über EU-Politik und demokratische Einbindung der Bürger. Nun wird ihr Ja als Startschuss für ein neues Europa gewertet. Ohne das frühere Nein hätten wir den also nie gehört? Die Iren wurden durch den Widerstand zur gallischen Projektionsfläche all jener, die die Wähler über eine so wichtige Veränderung hätten befragen wollen. Auch bei Hans Dichand, der den Vertrag gerne hätte ablehnen lassen, wächst die Liebe zu Irland. Neben fröhlichem, rothaarigem Volk, altersmildem Regenwetter und der günstigen, aber doch sättigenden Küche hätte Dublin fast das Aus für die Einigung Europas gebracht.

Das hat es zum Glück nicht, was auch daran liegt, dass Iren intelligenter sind als Österreicher. Denn wir dürfen über eine so komplexe Materie nicht abstimmen, weil das Verständnis fehle, wie unsere Regierungsvertreter– plus/minus Dichands Sprecher Werner Faymann – gerne argumentieren. Wir haben eine Blankoscheckdemokratie: Als wir über den EU-Beitritt abstimmten, galt das für hundert Jahre, Sibirien-Beitritt inklusive.

Es sind nicht nur die Wiener Entscheider, die uns die EU vergällen. Die Aussagen des üblichen EU-Vertreters, der länger als eine Nacht in Brüssel weilt, zeigen, dass Arroganz und Kompetenz kein Widerspruch sind. Aber beides bei Kontakt mit seinesgleichen steigt.

Es sei nur kursorisch erwähnt, dass sich der Erfolg Europas für jemanden, der 1989 gerade 17 Jahre alt war, weniger in Begriffen wie Transparenz und Kohärenz widerspiegelt denn in praktischen Dingen: dass wir nicht an absurden Grenzen warten müssen. Dass wir nicht mehr sinnlose Währungen umtauschen müssen. Dass wir London, Berlin oder Paris am Wochenende nicht weniger als Heimat empfinden als – je nach Entfernung zum Geburtsort – Wien oder Bregenz. Dass wir überall mehr oder weniger funktionierende Demokratien sehen. Dass die wenigen echten Konfliktherde, etwa am Balkan, auch aus militärischer EU-Kraft auf einem guten Weg sind. Dass unsere Wirtschaft bis zur Krise wegen der EU-Osterweiterung gebrummt hat und wieder anspringen wird. Dass sich Junge selbstverständlich als EU-Europäer sehen.

Klingt nicht bierernst, pathetisch und getragen genug für den Anlass? Ist aber wahr.


rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2009)

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