Wenn die Stadt bei dem nun präsentierten Entwurf bleibt, dann werde Wiens historischer Innenstadt 2018 der Weltkulturerbe-Status aberkannt, prophezeit die Unesco.
Wien. Im Wiener Rathaus sah man die Sache gestern, Dienstag, locker: Er gehe davon aus, dass Wien den Weltkulturerbe-Status behalten werde, sagte Bürgermeister Michael Häupl bei der Präsentation des finalen Heumarktprojekts mit Stadtplanungsstadträtin Maria Vassilakou („Die Presse“ berichtete bereits vorab exklusiv).
Mit dieser Einschätzung steht die rot-grüne Stadtregierung allerdings im diametralen Gegensatz zur Hüterin des Weltkulturerbes: der Unesco. „Es ist klar, was jetzt passiert“, sagt Gabriele Eschig, Generalsekretärin der österreichischen Unesco-Kommission, zur „Presse“: „Wien wird im Juli bei der Tagung (Anm.: des Welterbekomitees) in Krakau auf die rote Liste gesetzt. Und wenn Wien sich nicht bewegt und nichts ändert, wird das Weltkulturerbe 2018 aberkannt.“ Denn das Welterbekomitee tritt nur einmal pro Jahr zusammen.
Überraschend kommt dieser kühle Befund nicht: Seit vier Jahren kennt Wien die Bedenken der Unesco. Kritikpunkte sind nicht nur die Turmhöhe von jetzt 66,3 Metern (für die Unesco wären maximal 43 Metern möglich), sondern die Gesamtgestaltung: Das Projekt ist „stadtmorphologisch (Anm:. von der Baustruktur her) nicht mit dem historischen Bestand verträglich“, so Eschig.
Die optimistische Vorstellung der Stadt, dass man sich noch einigen werde, irritiert aufseiten der Unesco. „Diese Vorgaben sind nicht mehr verhandelbar“, stellte am Dienstag auch Eva Nowotny, Präsidentin der österreichischen Unesco-Kommission in einer Aussendung klar. Und Eschig erläutert: „Das ist kein privatrechtlicher Vertrag, den man einfach so abändern kann. Es gibt kein Welterbe on demand.“ An so einen Ausweg hat die Stadt Wien nämlich offenbar vorab gedacht und bei der Unesco angefragt, ob man das Weltkulturerbe nur auf den Bereich innerhalb des Rings beschränken könnte. Die Antwort war knapp: Nein, das sei nicht vorgesehen.
Was aber würde der Verlust des Weltkulturerbes für Wien bedeuten? Darauf hat Christian Kühn, Architekturkritiker, Professor an der TU und Mitglied des Beirats für Baukultur im Bundeskanzleramt, zwei Antworten. Erstens: dass es damals nicht klug war, die komplette historische Innenstadt bei der Unesco einzureichen (statt markanter Einzelprojekte). Und zweitens: Dass „eine starke Stadtplanung das Weltkulturerbe nicht braucht“ – nur leider habe Wien eine solche nicht. In der Theorie seien die Regeln zwar nicht schlecht, das gelte aber nicht für deren (politisch beeinflusste) Anwendung. Vor diesem Hintergrund „ist das Weltkulturerbe das letzte Argument gegen eine städtebauliche Fehlentwicklung“, so Kühn. Das Heumarktprojekt ist für ihn ein klarer Indikator, sei für weitere Verdichtung im Zentrum – und auch sonst – ein schlechtes Vorbild. Denn der Projektverlauf erinnert Kühn an einen Schildbürgerstreich – vor allem, was den Umgang mit dem Intercont betrifft: So wurde erst entschieden, es nicht abzureißen (ein Grund, weshalb Entwürfe, die dies vorsahen, nicht gewannen). Nun kommt es plötzlich doch weg – aber nur, um das alte, ziemliche klobige Gebäude nachzubauen und zwar noch höher und dicker. „Deutlicher kann man nicht sagen, uns fällt nichts Neues ein“, sagt Kühn.
„Drohgebärden schwierig“
Während Kühn und Teile von Vassilakous eigener Partei (vor allem der erste Bezirk und Bundes-Kultursprecher der Grünen, Wolfgang Zinggl) einen Dammbruch durch den Verlust des Weltkulturerbes befürchten, ist der Abschied vom Weltkulturerbe für Wiens Tourismuschef, Norbert Kettner, „überhaupt kein Schaden“. Denn für große touristische Städte wie Wien bedeute eine Aberkennung keinesfalls weniger Besucher.
Die „Drohgebärden der Unesco“ empfindet Kettner als schwierig: „Es ist bedauerlich, dass die Unesco bei jeder Frage eine derartige Haltung an den Tag legt, keine Änderung ausreicht und alles im Status quo hängen bleibt.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14. Dezember 2016)