Die Befreiung der Skination

ALPINE SKIING - FIS WC Val Gardena
ALPINE SKIING - FIS WC Val GardenaGEPA pictures
  • Drucken

Mit seinem Premierensieg erlöst Max Franz Österreich, er feiert in Gröden den ersten ÖSV-Abfahrtssieg seit 651 Tagen. Eine Karriere zwischen Schmerzen, Niederlagen – und Glauben.

Max Franz stand da und grinste. Der Kärntner, 27, wusste im ersten Augenblick gar nicht, wie ihm da plötzlich geschah im Zielraum von Gröden. Inmitten der „Riegel“ Aksel Lund Svindal (1,89 m) und Steven Nyman (1,95) versuchte Franz (1,78) die Anzeigentafel zu erspähen, an seiner Position gab es nichts zu rütteln, der Einser stand da. Die Zahl, auf die er seit sieben Jahren im Weltcup so sehnlichst gehofft und gewartet hatte. Das Ergebnis, das ihm schon so viele so oft vorhergesagt hatten. Nur es wollte nie, es sollte bislang nie sein. Immer war doch noch einer schneller, hatte er einen Fehler, einen Gedanken, eine Verletzung zu viel im Gepäck.

Aber jetzt, hier in St. Christina, Gröden, bei einem der großen Abfahrtsklassiker, stand das große Versprechen Max Franz endlich im Mittelpunkt. Und dann gleich auch noch als Premierensieger, der Österreich erlöste. Er ist der erste im Weltcup siegreiche ÖSV-Abfahrer seit 651 Tagen. Für eine Skination ist diese Zahl in Wahrheit ein Mahnmal, das offen dokumentiert, dass es sehr wohl Probleme gibt, doch für Franz ist das nicht weiter von Belang. Er ist der erste ÖSV-Sieger in dieser Sparte nach Hannes Reichelt, der am 7. März 2015 im norwegischen Kvitfjell gewonnen hat.

1:56,60 Minuten sind für Max Franz auch eine Befreiung, eine Erlösung. Dass so eine Zeitspanne auch belasten kann, vor allem den, der im Ziel darauf wartet, dass auch der allerletzte Fahrer endlich unten im Ziel, langsamer freilich, angekommen ist. Zweimal war Franz schon Zweiter, in Lake Louise (2012) und in Saalbach (2015). Jetzt war er vor Svindal (0,04 Sek.) und Nyman (0,41), ab sofort ist Franz ein Sieger, Hoffnungsträger. Dass er bereits mit so einem gelben Helm unterwegs ist, mit dem auch schon Hermann Maier unverkennbar assoziiert wurde, verdeutlicht nur, was viele von ihm erwarteten. Max Franz kann mehr, als nur ein Versprechen zu sein.


Immer Lust, vor allem Spaß. Abfahrer müssten mit Schmerzen, Stürzen und Gefahren leben, plauderte der Kärntner unlängst bei einem PR-Termin in Wien aus der „Skischule“. Man trainiere den ganzen Sommer zumeist wie ein Ochse, im Winter folge die Ernte, zumeist war sie in seinem Fall eher bescheiden. Dafür häuften sich die Verletzungen: 2006 Oberschenkeltrümmerbruch, Kreuzbandriss (2009), Gehirnerschütterung (2012), Nasenbeinbruch etc. Es wäre eine endlose Aufzählung. Er sagt: „Von nichts kommt nichts. Stabil sein, drauf bleiben, deiner Linie folgen – vor allem, du darfst dir nie die Lust am Skifahren nehmen lassen.“ Franz sprach das gelassen aus, auch andere, Marcel Hirscher oder Anna Veith, sprachen über diese Themen mit gleicher Tonalität und Betonung der Silben. Skifahren ist für ihn ein Spaß. Freilich, auch ein Beruf, aber vordergründig Spaß.

Angefangen hatte alles für ihn beim „Rutschen“ am Nassfeld, der Vater besaß dort eine Skischule. Stemmbogen, Zorn, alles verschwand, und der Cousin von Werner Franz durchlief alle Stufen hinauf zur ÖSV-Karriere, seit 2012 gehörte er zur Nationalmannschaft. Der erste Schritt war geschafft, der erste Sieg sollte Knöpfe aufgehen lassen und Türen leichter öffnen. Als Kärntner müsse man schnell sein, gewinnen. Schlag nach bei Franz Klammer, Pepi Strobl oder Matthias Mayer, der sich tapfer und souverän nach seinem Horrorsturz 2015 nun als 17. (0,93) in Gröden zurückgemeldet hat.


Die Damenpremiere. Bei den Damen gibt weiterhin Ilka Štuhec das Tempo vor, die 26-jährige Slowenin hat als erste Rennläuferin seit Lindsey Vonn die ersten drei Saisonabfahrten gewonnen. In Val-d'Isère siegte sie vor Cornelia Hütter (0,28 Sek.), die vor vier Italienerinnen damit im elften Saisonrennen die Podestlosigkeit der ÖSV-Damen beendete. Auch das ist eine Premiere, die Hoffnung gibt in diesem Winter mit der WM in St. Moritz 2017.

Es ist dennoch ein Rätsel, die Suche nach Gründen für ihre Überlegenheit führt in verschiedene Richtungen. Sie trainierte mit Herren, ihre Mama ist Skiservicefrau. Sie fährt Stöckli, also die Marke, die schon Tina Maze zu Seriensiegen führte – es liegt nahe, dass Štuhec womöglich Mazes Material „geerbt“ haben könnte.

„Die Erleichterung ist riesengroß“, sagte jedenfalls Hütter, 24, die sich in gewisser Weise auch als Gewinnerin fühlte. Endlich wären all die lästigen Fragen nach dem Podestplatz gestellt, nun gebe es neue Ziele. „Ich habe viel riskiert, ich habe einen gröberen Fehler gehabt. Ich glaube, dass ich jetzt wieder ganz die Alte bin. Ich habe den Schwung nicht abgestochen.“

ERGEBNIS ABFAHRT (HERREN) NATION ZEIT

1. Max Franz (AUT)1:56,60
2. Aksel Lund Svindal (NOR)0,04
3. Steven Nyman (USA)0,41
4. Adrien Theaux (FRA)0,44
5. Erik Guay (CAN)0,56
11. Romed Baumann (AUT)0,74
16. Klaus Kröll (AUT)0,88
17. Matthias Mayer (AUT)0,93
17. Hannes Reichelt (AUT)0,93
27. Vincent Kriechmayr (AUT)1,40

Gesamtweltcup

HERREN, NACH 9 BEWERBEN NATION PUNKTE

1. Marcel Hirscher (AUT) 440
2. Kjetil Jansrud (NOR) 322
3. Alexis Pinturault (FRA) 284
4. Henrik Kristoffersen (NOR) 224
5. Aksel Lund Svindal (NOR) 220
8. Max Franz (AUT) 172

STECKBRIEF

1989 wird Max Franz geboren, er wohnt in Weißbriach, ist ledig.

2012 wird der Atomic-Fahrer ins ÖSV-Team aufgenommen.

2016 feiert er nach zwei zweiten Plätzen den ersten Weltcupsieg, er gewinnt die Gröden-Abfahrt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Alpine Skiing - FIS Alpine Skiing World Cup - Men's Parallel Giant Slalom
Wintersport

Ski alpin: Nichts zu ernten für Marcel Hirscher

Marcel Hirscher ist wie im Vorjahr zum Auftakt des Parallel-Riesentorlaufs in Alta Badia ausgeschieden. Der Sieg ging an den Franzosen Sarrazin.
SKI-ALPINE-MEN-WORLD-GIANTSLALOM
Wintersport

Hirscher holt sich in Alta Badia 41. Weltcupsieg

Der Salzburger gewinnt den Riesentorlauf mit 0,71 Sekunden Vorsprung auf den Franzosen Faivre.
Wintersport

Sieg ist keine Selbstverständlichkeit

Max Franz genoss das Fest, das für den Sieger der Gröden-Abfahrt gefeiert wurde. Der Kärntner schien befreit, er dankte der Familie. "Ich will aber noch mehr."
SKI-ALPINE-MEN-WORLD-DOWNHILL
Wintersport

Max Franz: Der erste Abfahrtssieg seit 651 Tagen

Die Erlösung von Gröden, sie beschert dem Kärntner Max Franz den ersten Weltcupsieg und beendet Österreichs Negativserie im Abfahrtsweltcup.
ALPINE SKIING - FIS WC Val Gardena
Wintersport

Max Franz sorgt bei Gröden-Abfahrt für Sensation

Eine Befreiung, ein Versprechen, ein Hit: Max Franz gewann die Gröden-Abfahrt vor Aksel Lund Svindal und Steven Nyman.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.