Vierschanzentournee: Das Lächeln des sprunghaften Veteranen

Andreas Kofler: In der Flugphase unbekümmert, aber sonst weiterhin viel zu oft auf der Suche nach Lösungen.
Andreas Kofler: In der Flugphase unbekümmert, aber sonst weiterhin viel zu oft auf der Suche nach Lösungen.(c) APA/AFP/ROBERT MICHAEL
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Andreas Kofler, 32, ist seit 2002 im Weltcup durch alle Höhen und Tiefen gesprungen, gewann 2010 sogar die Tournee. Nach zig Rückschlägen startet er in Oberstdorf einen Neuanfang: „Ich kann mich darauf freuen.“

Blauer Himmel, angenehme Sonnenstrahlen, traumhaftes Panorama, völlige Unbeschwertheit – wer dieser Tage durch Oberstdorf spaziert, versteht, warum dieser Kurort so beliebt ist und als Stolz des Allgäus gilt. Auch Skispringer verbinden viel mit diesem Ort, für sie steht am Freitag der Start zur 65. Vierschanzentournee (16.45 Uhr, ORF eins) im Vordergrund. Dass sie die beste Aussicht haben aus der Vogelperspektive, ist klar.

Einer, der diese Ausblicke weiterhin „um nichts in der Welt“ missen will, ist der Tiroler Andreas Kofler. Der karenzierte Polizist ist mittlerweile 32 Jahre alt, seit vierzehn Jahren springt er im Weltcup mit und hat alle Höhen, Tiefen und Stürze erlebt. Oft suchte er nach Höhenflügen prompt wieder nach der Form, Koflers Auftritte glichen zumeist einer Achterbahn. Dabei hat er die knappste Niederlage, die man im Sport kassieren kann, mit unglaublicher Bravour verdaut. 2006 verlor er Olympiagold um 0,1 Punkte an Thomas Morgenstern. Wie sehr diese Medaille sein Leben verändert hätte, darüber wolle er nicht mehr nachdenken. Er lebe doch in der Gegenwart, man könne das jetzt weder planen noch beeinflussen. Er wolle weiterhin „vorn dabei sein“, das Beste machen. Also springt er – und an ein Karriereende denkt er nicht.

Seine sieben Zwetschken

Kofler ist einer der Letzten der großen, goldenen Adler-Generation, der im ÖSV-Team noch aktiv ist. Er gewann zweimal Olympia- und dreimal WM-Gold mit der Mannschaft, er triumphierte 2010 bei der Tournee, zwölf Weltcupsiege stehen zu Buche. Und dennoch, er stand immer im Schatten von Morgenstern oder Gregor Schlierenzauer, der im Jänner in Wisla, Polen, in den Weltcup zurückkehren wird. Er flog in anderen Sphären.

Kofler blieb immer bodenständig, freundlich, selbst in „schwarzen Stunden“, als ihn tückische Rückenschmerzen aus der Bahn warfen und aus dem Team drängten, lächelte er milde über eine Situation, bei der andere verzweifelt wären. Dass er aber auch belächelt wurde, weil er so unermüdlich von „sieben Zwetschken“ erzählte, die er beinander zu haben glaubte und dann doch nicht hatte nach schwachen Sprüngen, darf nicht unerwähnt bleiben. Kofler nimmt es jedoch mit Humor. „Es geht doch um Erfahrung“, sagte er, „Erlebnisse, das Finden des richtigen Gefühls – das ist meine Challenge.“

Seit Dezember 2012 sieglos

Dass er die Tournee gewinnen wird, glaubt selbst Kofler nicht. Dafür ist er zu sehr Realist, sind andere, allen voran Domen Prevc (Slo, 17), viel zu weit von ihm entfernt. Er wolle „Lösungen“ haben, zeigen, es probieren, vorzeigen. So wie er es schon im Sommer getan hat, in der Trainingsgruppe II. Kofler zeigte jungen Athleten im B-Kader vor, was Einstellung, Verlangen und Wollen wirklich sind. Er musste es auch wieder einmal machen, es ging darum, zu wissen, wohin sein Weg denn einmal mehr führen würde. Seit Dezember 2012 ist er sieglos, mit dem dritten Platz von Engelberg kehrte er erstmals seit zwei Jahren auf das Podest zurück. Damit ist er Zehnter im Weltcup, für Oberstdorf musste er sich nicht qualifizieren, ein wichtiger Schritt, der vieles erleichtert.

Sein Sport habe sich im Lauf der Jahre „so gewaltig verändert“. Material, Ski, Anzüge, Regeln, Know-how, Kofler könnte stundenlang darüber philosophieren. Skispringen sei trotzdem sein Leben, „ein schöner Sport, der dich mit jedem Sprung belohnt“. Er wolle mentale Bremsen öffnen, loslassen, springen – wer weiß, vielleicht schafft er die x-te Trendwende. Andreas Kofler will es unbedingt probieren, Angst vor dem Versagen habe er keine. „Wieso denn? Wenn ich nur auf der Couch liege, gewinne ich doch auch nichts. Es kann dann sehr schnell gehen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2016)

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