Türkei: Kommission akzeptiert Vorschlag für Präsidialsystem

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan(c) APA/AFP (ADEM ALTAN)
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Das Vorhaben der Regierungspartei AKP wurde nach nur neun Tagen vom Verfassungsausschuss bewilligt - trotz wütender Proteste der Opposition.

Die wütenden Proteste aus der Opposition waren vergebens: Der Verfassungsausschuss des türkischen Parlaments hat nach Insider-Informationen am Freitagmorgen den Entwurf für die Reform des Grundgesetztes gebilligt. Damit könne der Gesetzentwurf zur Debatte und Abstimmung ins Plenum gehen. Nach dem Parlamentsvotum soll die Reform in einem Referendum bestätigt werden. Sie sieht deutlich größere Machtbefugnisse für Präsident Recep Tayyip Erdogan vor.

Die Kommission habe den Entwurf in einer 17-stündigen Marathonsitzung überarbeitet und gebilligt, hieß es in Parlamentskreisen. Die Debatte im Plenum werde vermutlich im Jänner 2017 beginnen.

Bisher spielt der Präsident laut Verfassung eine vornehmlich repräsentative Rolle. Erdogan will das ändern und plant den Umbau des Staates in ein Präsidialsystem, in dem er deutlich mehr Macht hat. Um die Verfassungsänderung auf den Weg zu bringen, benötigt die regierende AKP im Parlament die Stimmen der ultranationalistischen MHP. Diese hat ihre Zustimmung bereits signalisiert.

Autoritäres System befürchtet

Erdogans Anhänger argumentieren, die Türkei brauche ein starkes Präsidialsystem, um fragile Koalitionsregierungen zu vermeiden, die die Entwicklung des Landes in der Vergangenheit gebremst hätten. Die Opposition befürchtet ein zunehmend autoritäres Systems mit Einschränkungen bei den demokratischen Rechten und Freiheiten. Bereits jetzt sehen Bürgerrechtler diese massiv eingeschränkt, nicht zuletzt durch das massive Vorgehen der Behörden gegen mutmaßliche Regierungsgegner seit einem gescheiterten Putschversuch im Juli.

Im Parlament sind für das Vorhaben 330 der 550 Abgeordnetenstimmen notwendig, um ein von Erdogan angestrebtes Verfassungsreferendum abzuhalten. Die AKP und die kleinste Oppositionspartei MHP hätten dafür gemeinsam eine ausreichende Mehrheit. Die beiden anderen Oppositionsparteien - die Mitte-Links-Partei CHP und die pro-kurdische HDP - laufen Sturm gegen die einschneidende Reform. Sie befürchten eine "Diktatur" in der Türkei.

(APA/dpa)

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