Türkei verlängert Ausnahmezustand bis 19. April

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan
Staatspräsident Recep Tayyip ErdoganAPA/AFP/TURKISH PRESIDENCY PRESS
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Eigentlich sollte der Notstand, den Präsident Recep Erdogan nach dem Putschversuch im Juli ausgerufen hatte, am 19. Jänner enden. Der Anschlag auf einen Nachtclub dient ihm nun als Grund zur erneuten Verlängerung.

Der nach dem Putschversuch in der Türkei im vergangenen Sommer verhängte Ausnahmezustand ist in der Nacht auf Mittwoch bis zum 19. April verlängert worden. Das Parlament in Ankara stimmte dem Antrag der Regierung auf Verlängerung um weitere drei Monate zu. Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus begründete den Antrag unter anderem mit anhaltenden terroristischen Angriffen auf das Land - wie zuletzt den Anschlag auf einen Nachtclub in Istanbul in der Silvesternacht, bei dem 39 Menschen getötet wurden.

Die größte türkische Oppositionspartei CHP rügt die erneute Verlängerung. Die Gesetzeslage biete auch ohne die Notstandsregelungen ausreichend Möglichkeiten, um den Terror zu bekämpfen, sagte der CHP-Abgeordnete Sezgin Tanrikulu der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. Die Terror-Begründung hat nach Ansicht von Tanrikulu "keine Gültigkeit". Schon vor dem Putschversuch vom 15. Juli habe es zahlreiche Terroranschläge in der Türkei gegeben, sagte er. 

Eigentlich hätte der Ausnahmezustand, den Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kurz nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 ausgerufen hatte, schon im Oktober auslaufen sollen, wurde da aber verlängert. Nun hätte er am 19. Januar ausgelaufen sollen - abermals kam dem eine Verlängerung zuvor, ermöglicht durch die islamisch-konservative Regierungspartei AKP und die kleinste Oppositionspartei, die ultranationalistische MHP. Die übrigen Oppositionsparteien, die Mitte-Links-Partei CHP und die pro-kurdische HDP - waren strikt dagegen.

Während des Ausnahmezustands kann der Staatspräsident weitgehend per Dekret durchregieren. Die Dekrete haben Gesetzeskraft und müssen vom Parlament nur im Nachhinein abgenickt werden. Seit dem Putschversuch sind mehr als 100.000 Staatsbedienstete festgenommen, suspendiert oder entlassen worden. Auch zahlreiche kritische Medienhäuser wurden geschlossen.

Erdogan macht die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch vom Sommer verantwortlich. Nach Angaben von Anadolu wurden seitdem mehr als 41.000 Verdächtige wegen mutmaßlicher Gülen-Verbindungen in Untersuchungshaft genommen. Die Gülen-Bewegung gilt in der Türkei - ebenso wie etwa der IS oder die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK - als Terrororganisation.

Reform zur Schwächung des Parlaments

Prinzipiell kann das Parlament den Ausnahmezustand vorzeitig aufheben. Von nächstem Montag an soll sich das Parlament mit der geplanten Verfassungsreform zur Einführung eines Präsidialsystems beschäftigen. Wenn (wie von der Regierung angestrebt) mindestens 330 der 550 Abgeordneten für die Reform stimmen, kommt es vermutlich im Frühjahr zu einem Referendum. Die Regierung hatte ursprünglich angekündigt, dass der Notstand vor einem solchen Referendum aufgehoben würde, nun wird er dennoch verlängert.

Die Reform würde Erdogan deutlich stärken und das Parlament schwächen. Die AKP verfügt über 316 Stimmen im Parlament. MHP-Chef Devlet Bahceli hat seine Unterstützung für die Reform bereits zugesagt, während die CHP und die HDP Sturm gegen die Reform laufen. Beide Parteien werfen Erdogan vor, eine Diktatur errichten zu wollen.

(APA/dpa/Reuters/red.)

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