SPÖ-Klubchef Josef Cap erwartet die Unterschrift des tschechischen Präsidenten Klaus unter den EU-Vertrag. Für die Türkei will er keinen Vollbeitritt zur EU.
„Die Presse“: Václav Klaus bremst beim EU-Vertrag. Wird der Lissabon-Vertrag jemals in Kraft treten?
Josef Cap: Klaus hat keine Bedingungen zu stellen. Es geht nicht, dass er seine Unterschrift mit einer Fußnote oder Vertragsänderung verbindet, die letztlich für alle irrelevant ist. Klaus würde seinem Land und der EU einen guten Dienst erweisen, würde er endlich diese letzte Unterschrift tätigen. Es wäre wichtig, dass der Lissabon-Vertrag rasch in Kraft tritt.
Zögert Klaus noch länger, könnten die Briten unter einer neuen Tory-Regierung das Paket aufmachen. Für wie groß halten Sie die Gefahr?
Cap: Mal sehen, wie die Wahl überhaupt ausgeht. Im Übrigen gibt es Rechtstheorien, die sich darauf stützen, dass die Unterschrift von Klaus gar nicht notwendig sei.
Was wäre die Alternative zum Lissabon-Vertrag? Ein Kerneuropa?
Cap: Das wäre eine mögliche Konsequenz. Dabei sollten wir lieber geeint stärker gegen die Krise und in der Welt auftreten – mit dem Lissabon-Vertrag.
Kanzler Faymann hat wieder eine Volksabstimmung über neue EU-Verträge in Österreich gefordert. Wie beurteilen Sie das?
Cap: Ich fände das sogar sehr sinnvoll, wenn bei allfälligen neuen EU-Verträgen grundlegende Interessen Österreichs berührt werden. Es brächte mehr Bürgernähe und mehr Demokratie.
Als Faymann das letzte Mal die Forderung gestellt hat, hat das zu Neuwahlen geführt. Erwarten Sie einen neuen Konflikt mit der ÖVP?
Cap: Gar nicht. Im Moment steht ja auch kein Referendum an.
Am Donnerstag verhandelt der Kanzler mit EU-Kommissionschef José Barroso um einen ÖVP-Kommissar. Wie geht es Ihnen damit?
Cap: Entscheidend ist: Welchen Bereich schlägt Barroso vor? Welchen Nutzen hat Österreich davon? Und welche Person ist geeignet, den Bereich zu füllen?
Welches Dossier sollte es sein?
Cap: Für Österreich kann alles wichtig sein. Etwa Bildung und Forschung wären sicher interessant, Landwirtschaft haben wir schon einmal besetzt. Wichtig ist mir, dass sich die Kommission insgesamt für ein sozialeres Europa einsetzt, gerade in der Krise. Und wir müssen dafür sorgen, dass die Beschäftigung wieder steigt. Ich hoffe auf eine Trendumkehr 2010.
Wie beurteilen Sie die Arbeit von Außenkommissarin Ferrero-Waldner?
Cap: Sie hat sehr konstruktive Arbeit geleistet.
Tut es Ihnen leid, dass man einen Kandidaten der SPÖ ausschließt? Könnte es doch noch ein SPÖ-Naher oder Unabhängiger werden?
Cap: Egal, ob der Kommissar Mitglied einer Partei oder keiner Partei ist, die Qualifikation zählt. Selbstverständlich hätten diese auch viele von der SPÖ.
Die Kommission präsentiert am Mittwoch den Fortschrittsbericht zur Türkei. Was ist Ihre Meinung?
Cap: Der Bericht wird keinen wirklichen Fortschritt darstellen. Die zentralen Verhandlungskapitel sollten geschlossen bleiben. Statt eines Beitritts sollte sich die EU künftig an einer privilegierten Partnerschaft mit der Türkei orientieren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2009)