Viele hochrangige Offiziere stehen in Izmir vor Gericht, auch der angebliche Putsch-Anführer Gülen selbst ist angeklagt. Den Angeklagten drohen zwei Mal lebenlängliche Haft.
In der Türkei hat der bisher größte Prozess zum gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli begonnen. 270 Menschen, darunter der islamische Prediger Fethullah Gülen selbst, müssen sich seit Montag in der westtürkischen Küstenstadt Izmir verantworten, wie die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete.
Den Angeklagten, von denen 152 in Untersuchungshaft sitzen, wird ein "Versuch zum Sturz der verfassungsmäßigen Ordnung" und "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" vorgeworfen.
Den Angeklagten droht zwei Mal lebenslange Haft. Die meisten von ihnen sind Militärs, darunter hochrangige frühere Offiziere wie der ehemalige General für die Ägäis-Region, Memduh Hakbilen. Sie sind beschuldigt, zur verbotenen Bewegung von Fethullah Gülen zu gehören, die in der Türkei für den Umsturzversuch verantwortlich gemacht wird. Der islamische Prediger bestreitet jede Beteiligung an dem versuchten Staatsstreich.
Türkei schickt weitere Unterlagen in die Türkei
Gülen, der seit Jahren im Exil in den USA lebt, ist in Izmir in Abwesenheit angeklagt. Ankara fordert mit Nachdruck seine Auslieferung von den USA. Die Regierung von Barack Obama hatte jedoch stets betont, dass die Entscheidung über das Gesuch zur Auslieferung Gülens allein Sache der Justiz sei. Ankara hat die Hoffnung geäußert, dass unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump "der Rechtsprozess beschleunigt" wird.
Die türkischen Behörden schickten am Montag weitere Unterlagen in die USA, um ihr Auslieferungsgesuch für Gülen zu untermauern. Wie die Zeitung "Hürriyet" berichtete, enthält der Akt zusätzliche Informationen zu zwei mutmaßlichen Putsch-Beteiligten, die kurz vor dem Putschversuch in die USA gereist waren. Sie werden verdächtigt, sich dort mit Gülen getroffen zu haben, um Anweisungen für den Staatsstreich zu erhalten.
In der Türkei wurden nach dem Umsturzversuch mehr als 43.000 Militärangehörige, Polizisten, Beamte und Justizmitarbeiter unter dem Vorwurf festgenommen, zur Gülen-Bewegung zu gehören. Zwar haben in den vergangenen Wochen mehrere Verfahren begonnen, doch warten die meisten Beschuldigten noch auf ihren Prozess. Bürgerrechtler befürchten, dass bei den Verfahren das Recht der Beschuldigten auf einen fairen Prozess nicht garantiert ist.
Laut der Zeitung "Hürriyet" wird erwartet, dass das Verfahren zwei Monate dauert. Demnach war Izmir eines der logistischen Zentren der Verschwörer, die am 15. Juli versucht hatten, die Macht zu übernehmen.
HDP-Fraktionschef freigelassen
Auf einer anderen türkischen Front gab es hingegen eine prominente Haft-Entlassung. Nach mehr als zwei Monaten Untersuchungshaft hat ein türkisches Gericht die Entlassung des Fraktionschefs der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP angeordnet. Idris Baluken werde freigelassen, entschied das Gericht in der Kurdenmetropole Diyarbakir nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Montag. Dies habe das Gericht unter anderem damit begründet, dass jegliche Beweise gegen ihn gesammelt worden seien. Für Baluken gelte allerdings ein Reiseverbot.
Baluken und zahlreiche weitere HDP-Abgeordnete waren Anfang November im Rahmen von Terrorermittlungen verhaftet worden. Nach der Freilassung Balukens sitzen noch neun HDP-Parlamentarier in Untersuchungshaft, darunter die Parteivorsitzenden Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag. Eine Abgeordnete wurde bereits zu einer Haftstrafe verurteilt, ihr Anwalt kündigte eine Berufung an.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hält die HDP für den verlängerten Arm der verbotenen Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die HDP weist diese Vorwürfe zurück.
(APA/dpa)