Die klassische Upperclass gibt sich unscheinbar und residiert dort, wo man sie kaum sieht. Dadurch bleiben die alten Grandhotels krisensicher.
Nah bei St. Moritz und dennoch in einer eigenen, sehr eigenen Welt: Die Gäste des Waldhauses Sils genießen die Engadiner Landschaft und die Pisten am nahen Corvatsch, aber sie tun es mit einer speziellen Distanz und in weitgehender Abgeschiedenheit. Eine steile, kurvige Straße trennt das normale Leben unten in Sils-Maria von dem historischen Prachtbau, der auf einem Hügel thront und von Arven- und Lärchenwäldern umgeben ist.
Vor 109 Jahren wurde das Waldhaus Sils eröffnet und ist seitdem in Familienbesitz. Es scheint, als hätte sich seitdem kaum etwas verändert. Das Waldhaus ist eine Mischung aus Hotel und Museum, hatte illustre Gäste wie Thomas Mann, Hermann Hesse oder David Bowie. Im Speisesaal, im Salon oder in den Zimmern und Suiten fühlt man sich wie auf einer Zeitreise, ohne Komfort zu vermissen. Etliche der 140 Zimmer und Suiten sind im restaurierten Originalzustand von 1908. Ungewöhnlich ist nun, dass pünktlich zur WM-Saison ein komplett neuer Spabereich mit 1400 Quadratmetern eröffnet wurde. Für das Waldhaus eine Sensation. „Die Krise in der Hotellerie macht sich bei uns nicht bemerkbar“, sagen die Inhaber, die beiden Brüder Claudio und Patrick Dietrich. Die Aura des Waldhauses lässt sich nicht reproduzieren. Entweder echt oder gar nicht. „Interessant ist, dass die jüngeren Gäste die alten Zimmer bevorzugen, die älteren hingegen eher modernere Zimmer“, verrät Patrick Dietrich.
Selbes Zimmer, gleiches Gericht
Einen ähnlichen Werdegang und viele Gemeinsamkeiten hat das Waldhaus mit dem Suvretta House, einem majestätischen Fünfsternehotel in klassischem Belle-?poque-Stil wenige Kilometer westlich von St. Moritz. Exklusiv ist allein schon die Lage an dem legendären Südhang, der bevorzugte Adresse von Milliardären ist, wo schon die Agnellis und Heinekens die Wintertage verbrachten und Villen heute um 50 Millionen Euro aufwärts gehandelt werden. Das Suvretta House wurde nur vier Jahre nach dem Waldhaus eröffnet, die beiden Gründer, Anton Bon im Suvretta House und Josef Giger im Waldhaus, waren auch miteinander verwandt. Beide Häuser befinden sich immer noch in Familienbesitz. Klassisch ist auch hier das Interieur in den 181 Zimmern und Suiten. Die Nähe zu den Skiliften und die ruhige, elitäre Lage zählen zu den besonderen Qualitäten des Suvretta House, das zudem zwei Restaurantableger ganz oben am Berg hat.
Dass solche Häuser viele Stammgäste haben, liegt nahe. Nur bekommt der Begriff Stammgast hier eine andere Dimension: Eine Deutsche besuchte ab 1928 das Waldhaus regelmäßig bis kurz vor ihrem Tod vor vier Jahren. Ein Botschafter aus Wien verbrachte 2500 Nächte im Waldhaus stets im selben Zimmer – und bestellte jeden Tag das Gleiche: Seezunge mit Reis.
Nobel, Nobel
Große Hotels aus der Zeit der Belle Epoque haben treue Fans in und rund um St. Moritz. Das Waldhaus in Sils hat heuer ein neues Spa bekommen www.waldhaus-sils.ch. Das Suvretta House in St. Moritz verfügt über eine ausgezeichnete Bar. www.suvrettahouse.ch
Compliance-Hinweis: Die Reise wurde von Waldhaus Sils unterstützt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 4.2.2017)