St. Moritz II: Die Institution macht eine Kurve

. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Tourismus im Ort.
. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Tourismus im Ort.St. Moritz Tourismus
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Der noble Skiort erwartet sich von der Skiweltmeisterschaft neue Impulse und Zuwachs neuer Gäste. Der Glamour zeigt sich im Sportumfeld dezent.

Die Corviglia ist der Logenplatz von St. Moritz. Ein sonniger Südhang direkt über dem Dorf, weite und offene Skipisten im baumfreien Gelände, Panoramaaussichten auf das Dorf, den See, auf Bernina und Corvatsch dahinter. Sie ist ein Klassiker für jeden ambitionierten Wintersportler, nicht so sportlich wie drüben die Pisten auf dem Corvatsch, den die Einheimischen auf der zweiten Silbe betonen, sondern eher der Berg für den Genießer, der es sich leisten kann. Solche Institutionen, zumal in St. Moritz, ändern sich gewöhnlich kaum und wenn, dann zum Besseren, noch Feineren.

Nur mehr bis Saisonende hingegen hat die Corviglia eine ihrer Attraktionen. Manche mögen sie für die Attraktion schlechthin halten. Dann schließt Reto Mathis sein Gourmetrestaurant La Marmite auf 2486 Metern Höhe – nicht nur eine kulinarische, sondern vor allem gesellschaftliche Institution. Wer in St. Moritz etwas ist und hat oder wenigstens so tun will, lässt sich im La Marmite sehen, wo immer schon Vertreter des Großkapitals Stammgäste waren. Hier tafelt man auf sehr hohem Niveau, was auch für die Preise gilt, Trüffelpizza mit Champagner oder ein Carrousel mit Entenleber, Lachs, Hummer und Kaviar. Für Mathis, der die Gastronomie am Berg, zu der auch bürgerliche Lokalitäten gehören, von seinem Vater übernommen und ausgebaut hat, lohnt sich das Geschäft nicht mehr, wie er selbst bekundet.

In eine neue Richtung

Eine Nachricht, die so gar nicht zur Stimmung rund um die alpine Skiweltmeisterschaft passt, es ist die zigte, die in dem Engadiner Nobelort stattfindet. St. Moritz hat sich für das zweiwöchige Sportereignis mit einem umfangreichen Rahmenprogramm gerüstet. Der Kulm-Park ist der Hotspot für die Weltmeisterschaft, bei der es wie bei solchen Großveranstaltungen üblich nicht nur um den Sport gehen wird. Die Show neben der Piste wird mit 35 Livekonzerten im Kulm-Park und der Fußgängerzone begleitet. Jeden Tag treten nachmittags einheimische Künstler in der Fußgängerzone beim Inscunter Street Festival auf, zudem gibt es Konzerte, Lesungen, Sprachkurse. Der TV-Star Annina Campell und der Rapper Knackeboul werden die Events vom Stadion aus moderieren, als Gesicht und Stimme der Ski-WM.

Für St. Moritz hat die Weltmeisterschaft durchaus strategische Bedeutung. Seit 2008 hat das Oberengadin Gästebetten verloren, gingen die Logisnächte zurück. Vor allem im mittleren Segment wurden Hotels oft zu Ferienwohnungen umgewandelt. Dazu kam, dass Anfang 2015 die Schweizer Nationalbank den Mindestkurs des Schweizer Franken zum Euro aufhob und sich daraus Preiserhöhungen für Gäste aus den EU-Ländern ergaben. Mit relativ günstigen Pauschalangeboten inklusive Skipass hat man jedoch versucht, dem entgegenzuwirken.

 Traditionsgeschäfte halten sich im Zentrum.
Traditionsgeschäfte halten sich im Zentrum. St. Moritz Tourismus

Die Weltmeisterschaft signalisiert nun einen Aufbruch, nicht unbedingt eine Rückkehr zu guten alten Zeiten, sondern eine Trendwende und mehr oder weniger eine Neuausrichtung. Etwa die Hälfte der Besucher im Rahmen der WM dürften noch nie in St. Moritz gewesen sein, schätzt Tourismusmanagerin Ariane Ehrat, früher selbst Rennläuferin. Das könnten neue Gäste werden. Vor der Eröffnung der Weltmeisterschaft wurde der Bahnhof umgebaut und erweitert. Das Zentrum von St. Moritz ist heute ein exklusives, nachverdichtetes und kurvenreiches Arrangement aus Hotels, Geschäften, Banken und Appartementhäusern, ein paar traditionellen Bauten mit Graubündner Sgraffito-Dekor und ansehnlichen Beispielen zeitgenössischer Architektur.

Grundsätzlich gilt: Je weiter oben man wohnt, desto besser. Ausgenommen sind da natürlich die altehrwürdigen Hotelpaläste Kulm und Badrutt's Palace. Das majestätische Fünfsternehaus Kulm, das der griechischen Reederfamilie Niarchos gehört, verfügt über zugebaute Residenzen, in denen Gäste Wohnungen mit optionalem Hotelservice buchen können. Hotelgründer Johannes Badrutt gilt ja als der Wintertourismuspionier, der 1864 mit einer Wette mit englischen Gästen selbige zu einem Winterurlaub gewinnen konnte. Badrutt legte eine Curlingbahn an, schuf den legendären Cresta Run, die waghalsige Skeletonstrecke, und wurde einer der größten Grundbesitzer im Ort. Sein Sohn Caspar gründete später das berühmte Badrutt's Palace, das zweite große Luxushaus.

Fein, fein

Rund um die noblen Hotels hat sich über die Jahrzehnte ein exquisiter Einzelhandel etabliert, der heute eher diskret seinen Geschäften nachgeht. Da ist die Fleischhauerei Hatecke in der Via Maistra, die für ihr Bündnerfleisch bekannt ist. Oder die nahe Confiserie Hanselmann, deren Spezialitäten die Engadiner Nusstorte und Birnbrote sind. Oder das Spezialitätengeschäft Glattfelder, wo man sich mit Kaviar, Kaffee und Tee eindecken kann. Das alte, elitäre St. Moritz gibt es natürlich noch. Aber es ist anders, diskreter und weniger glamourös. Und es wird während der Weltmeisterschaft eher eine Nebenrolle spielen.  Ausprobieren: der neu eröffnete Kulm Country Club des legendären Kulm-Hotels: Der historische Pavillon wurde zum Veranstaltungsort und Pop-up-Restaurant, die Neugestaltung stammt u. a. von Norman Foster, der in St. Moritz schon das runde Chesa Futura gebaut hat. Im Erdgeschoß Lounge und Bar, im ersten Stock ein Highlight für Gourmets. www.kulm.com

Chesa Veglia: Das einstige Bauernhaus im Zentrum ist eine gastronomische Institution und gehört zum Badrutt's Palace. Drei Restaurants (eine Pizzeria), zwei Bars mit historischem Ambiente. www.badruttspalace.com, www.lhw.com
Waldhaus am See: Das Hotel ist berühmt für die Bar Devil's Place und für das weltweit größte Whisky-Sortiment mit 2500 Sorten. Dazu ein Weinkeller mit 1300 Etiketten. www.waldhaus-am-see.ch

Veltliner Keller: Bodenständige Weine und italienische Küche in klassischem Ambiente. www.veltlinerkeller.ch

Alpetta: Urige Hütte im Corvatsch-Skigebiet. Ideal zum Einkehrschwung und zum Fondue. www.alpetta.ch

La Marmite: Kaviar am Berg. Bis 2. 4. Info: www.stmoritz.ch

Compliance-Hinweis: Die Reise wurde von Waldhaus Sils unterstützt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 4.2.2017)

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