Die britische Regierung droht vor Beginn der EU-Austrittsverhandlungen mit Steuerdumping. Das wird sich London aber nicht leisten können.
London. Die britische Premierministerin, Theresa May, ist eine Freundin klarer Worte. Auf dem jüngsten EU-Gipfel in Malta erklärte sie, ihr Land könnte sich gezwungen sehen, „die Grundlagen des Wirtschaftsmodells zu ändern“, sollte London bei den EU-Austrittsverhandlungen keinen guten Deal bekommen. Die Aussage wurde als Drohung verstanden, Großbritannien in ein Singapur an der Themse zu verwandeln: niedrige Steuern, wenig Regulierung und geringe Arbeitnehmerrechte. Schon heute hat das Land mit 20 Prozent Körperschaftsteuer eine der niedrigsten Unternehmensabgaben in der EU. In seiner Haushaltsrede Ende November bekräftigte der britische Schatzkanzler, Philip Hammond, die Absicht der Regierung, den Steuersatz bis 2020 auf 17 Prozent zu reduzieren. May stellte in einer Rede vor Wirtschaftsvertretern sogar eine weitere Reduktion auf 15 Prozent in Aussicht. Das Ziel dabei ist offensichtlich: Mit geringen Steuern soll die heimische Wirtschaft gefördert werden, und zugleich will man ausländische Investitionen ins Land locken.
Verärgerung in Deutschland
Doch Großbritannien ist eine der zehn größten Wirtschaftsnationen der Welt. Und Oppositionsführer Jeremy Corbyn warnt davor, das Land in eine „Schleuderpreis-Volkswirtschaft“ zu verwandeln. Sichtlich verärgert reagierte auf Malta auch die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel: „Wir werden sicher in keinen Steuerwettbewerb eintreten. Wir brauchen Steuereinnahmen, um Investitionen machen zu können.“ Ihr Finanzminister, Wolfgang Schäuble, schimpfte: „Wenn ein großes Land glaubt, es kann die Vorteile eines kleinen Landes haben, dann gehen die Dinge schief.“ Er warnt Großbritannien davor, ein Steuerparadies wie die Cayman Islands werden zu wollen.