Die Wirtschaftskammer Steiermark ist mit einem Gutachten gegen die Interessen einiger ihrer (Pflicht-)Mitglieder aufgetreten. Justiz und Aufsicht wurden eingeschaltet.
So etwas hat es in Österreich noch nie gegeben. Von einem „Paukenschlag“ schrieben einige Zeitungen, von einem „Knalleffekt“ andere. Und das war nicht übertrieben: Mitte Juli 2016 veröffentlichte der Verfassungsgerichtshof nämlich eine Entscheidung, die mit einem Schlag ein gigantisches Einkaufszentrum südlich von Graz in Frage stellte – nämlich die Shopping City Seiersberg mit ihrem 85.000 Quadratmeter großen Areal, 200 Shops und 2100 Mitarbeitern. Ein starkes Stück. Doch jetzt wissen wir: Das war noch nicht die letzte Eskalationsstufe. Die wurde in den vergangenen Wochen erreicht – es sind Klagen und Aufsichtsbeschwerden eingebracht worden. Und auch das hat es noch nie gegeben: Es geht dabei um die Frage, ob die Wirtschaftskammer Steiermark gegen das Wirtschaftskammergesetz verstoßen hat. Ob sie nämlich – statt ausgleichend zu wirken und die Interessen aller ihrer Mitglieder zu vertreten – Partei ergriffen hat. Gegen die Betreiber des Shoppingcenters nämlich, gegen (pflichtweise) zahlende Kammermitglieder also.
Eine höchst brisante Angelegenheit, die allerdings einer kurzen Darstellung der Vorgeschichte bedarf: 14 Jahre alt war das Einkaufszentrum, als der Verfassungsgerichtshof mit einem Mal alles ins Wanken brachte. Das Höchstgericht kam zum Ergebnis, dass die Verbindungswege und Brücken zwischen den Bauteilen des Centers nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen. Die von der Gemeinde Seiersberg-Pirka einst erlassene Verordnung wurde gekippt. Ein harter Schlag für die Betreiber des Centers – wiewohl sie Ungemach ja gewissermaßen gewohnt waren: Über die Jahre hatte der Lebensmittelhändler Spar, der ebenfalls zwei Grazer Shopping Center betreibt, Seiersberg mit Klagen eingedeckt, allerdings erfolglos. Doch dann wandte sich die Spar-Gruppe an die Volksanwaltschaft, die wiederum den Verfassungsgerichtshof anrief.