Das Ärgernis der Anderen

Leeres Klassenzimmer
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Wie man eine Schule unter Wasser setzt.

Bei 300 haben wir zu zählen aufgehört. Wir hatten also sehr viele weiße, wasserbefüllte Plastikbecher dicht nebeneinander auf die Stiegen unserer Schule gestellt. Irgendjemand von uns hatte einen Schlüssel besorgt, damit wir ungestört und unbemerkt unsere Schulabschlussaktion durchführen konnten. (Ich weiß tatsächlich nicht mehr, wie uns das mit dem Schlüssel gelungen war.) Jedenfalls, wer da trocken das Stiegenhaus passieren wollte, sollte sich ordentlich plagen. In manchen Klassen hatten wir unter Einsatz von Klebeband kunstvolle Schulbank-Sessel-Skulpturen entworfen. Die Geobücher und dunkelblauen Stowasser aus den Schulbänken versteckt. Die Tafel beschmiert. Die Türen mit Brettern zugehämmert.

Rückblickend betrachtet war das weder lustig noch schlau, ziemlich destruktiv sogar, aber sind das nicht die meisten Streiche? Es sollte vor allem Lehrern und Mitschülern am folgenden Montag die Laune verderben. Doch schon die ersten Lehrer, die frühmorgens die Schule betraten, verstanden keinen Spaß, schmissen die Becher bei ihrem Aufstieg ins Lehrerzimmer achtlos um. Das Stiegenhaus stand bald unter Wasser, ein  Kurzschluss war die Folge, wir hatten ein paar Stunden keinen Strom. Unser Klassenvorstand, die drahtige Turn- und Geografielehrerin, die uns acht Jahre lang streng, aber liebevoll begleitet hatte und mit unserem Schulabschluss in Pension gehen sollte, war kurz erbost, beruhigte sich aber rasch wieder, weil sie insgeheim wusste, dass wir trotz oder gerade wegen einer solchen Aktion schon ganz gut geraten waren. In der Nachbarklasse wurde der Streich allerdings zum Problem, weil die schlechtesten Schüler als Täter verdächtigt wurden und damit ihr Maturaantritt gefährdet war. Wir erklärten uns alle als schuldig – und durften antreten.

Schulstreiche dieser Art sind an Österreichs Schulen erst seit den 1990ern verbreitet, zumindest erzählen einem ältere Jahrgänge (die vor 1975 Geborenen) zu ihrer Zeit hätte man sich solche Aktionen nicht getraut. Wenn es Maturajahrgänge übertreiben, werden sie an manchen Schulen verboten. Mythen und Legenden zu Maturastreichen gibt es von vielen Schulen, egal ob öffentlich oder privat. Dabei sind sie nichts gegen einen eher brutalen deutschen Brauch: In manchen Städten kommt es zwischen rivalisierenden Schulen zu „Abi-Kämpfen“ mit bis zu 200 Schülern. Inklusive Polizei-Großeinsatz.

(awa)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2017)

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