Fall Krems: Anklage wegen fahrlässiger Tötung geplant

Krems Schuss Supermarkt
Krems Schuss Supermarkt(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Der Polizist, der den tödlichen Schuss auf einen 14-jährigen Burschen abgegeben hat, hat seine Aussagen noch einmal relativiert. Die Anklage gegen den Polizisten wird immer wahrscheinlicher

Im Zusammenhang mit dem in der Nacht auf den 5. August in einem Kremser Supermarkt erschossenen Florian P. (14) hat die Staatsanwaltschaft Korneuburg ihre Ermittlungen gegen die beiden Polizeibeamten - eine Frau und ein Mann - abgeschlossen. Der Polizist, der den tödlichen Schuss abgegeben hat, ist am vergangenen Montag noch ein Mal von Staatsanwältin Magdalena Eichinger vernommen worden. Dabei soll er seine bisherigen Angaben aufrechterhalten, zugleich aber relativiert haben.

So soll der Polizist betont haben, seine Aussagen entsprächen seiner Erinnerung, er könne sich aber - etwa was die Entfernung, aus der der Schuss fiel - irren. Zu seiner ursprünglichen Schilderung, er hätte im Stehen auf Florian P. geschossen, meinte nun der Beamte, er wäre im Begriff gewesen, sich hinzuknien, als er von einem seitlichen Geräusch abgelenkt wurde. In welcher genauen Position er sich befunden habe, als der Schuss brach, könne er daher nicht sagen.

Anklage wegen fahrlässiger Tötung?

Am Mittwoch hat die mit der Untersuchung des dienstlichen Schusswaffengebrauchs befasste Staatsanwaltschaft ihren Vorhabensbericht fertiggestellt. Empfohlen werde eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen, hieß es in der ORF-Sendung "Niederösterreich heute" am Mittwoch. Nun liege die Entscheidung bei der Oberstaatsanwaltschaft und beim Justizministerium.

Ermittlungen abgeschlossen

Die Anklagebehörde hatte gegen die Polizisten wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen ermittelt. Die beiden hatten in dem Supermarkt mehrere Schüsse auf den 14-Jährigen mutmaßlichen Einbrecher und einen 17 Jahre alten Komplizen abgefeuert. Wie sich im Zuge der Untersuchungen herausstellte, stimmte die Schilderung, die der Polizist bei einer Tatrekonstruktion zum Geschehensablauf zu Protokoll gab, nur bedingt mit den Erkenntnissen des Schießsachverständigen und des Gerichtsmediziners überein.

Während der Mann behauptete, in aus seiner Sicht zulässigen Weise im Knien und aus einer Entfernung von viereinhalb bis sechseinhalb Meter geschossen zu haben, wiesen die Sachverständigen nach, dass der Schuss im Stehen und aus 1,8 bis zwei Meter fiel. Das Projektil traf den Burschen im Rücken und durchschlug ihm Brustkorb und Lunge. Er hatte keine Überlebenschance.

Die Staatsanwaltschaft Korneuburg hält es für nicht nötig, die Sachverständigen noch einmal mit den nunmehrigen Angaben des Polizisten zu konfrontieren. "Aus unserer Sicht ist es derzeit nicht mehr erforderlich, ergänzende Gutachten einzuholen", meinte Behördenleiter Karl Schober am Freitag.

Vorhabensbericht demnächst fertig

Die Staatsanwaltschaft will daher ihren Vorhabensbericht, in dem entweder die Einstellung des Verfahrens oder eine Anklageerhebung vorgeschlagen wird, in der kommenden Woche der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien übermitteln. Der Bericht, der vermutlich den Entwurf eines Strafantrags enthalten dürfte, muss von der OStA und in weiterer Folge vom Justizministerium abgesegnet werden.

Es ist Aufgabe der Anklagebehörde bzw. der übergeordneten, weisungsbefugten Stellen zu beurteilen, ob für den Polizisten im Moment der Schussabgabe die von ihm behauptete Gefahr für Leib und Leben gegeben war und die Schussabgabe vom Waffengebrauchsgesetz gedeckt war. Sollte dem Beamten keine Notwehrsituation zugebilligt werden, könnte ihm bei einer Anklageerhebung weit mehr als der ursprüngliche Tatverdacht vorgeworfen werden.

Eventueller Prozess in Korneuburg

Auf Basis der vorliegenden Gutachten wäre bei Annahme eines bedingten Vorsatzes an ein Verfahren wegen schwerer Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (Strafrahmen: Ein bis zehn Jahre) oder absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge (Strafrahmen: Fünf bis zehn Jahre) zu denken.

Sollte es zu einem Prozess kommen, wird im Landesgericht Korneuburg und nicht im örtlich an sich zuständigen Landesgericht Krems verhandelt, um jedwedem Anschein einer Befangenheit vorzubeugen.

(APA)

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